Mauerbeschriftung in Tropea, Calabria |
Liebe macht man zu zweit. Ich kann nicht diese Hälfte sein von gar nichts. Diesen auf eine graue Betonmauer des italienischen bauruinenreichen Südens gesprayten Satz hat mein Freund entdeckt und fotografiert. Mehrmals ist er dort
hingegangen, zu verschiedenen Tageszeiten und Sonnen-ständen des späten Novemberlichtes, mit dem trotzigen Plan, das hoffnungsvolle Blau, das Azzurro, so leuchtend wie möglich einzufangen, um dem tieftraurigen Inhalt die ihm auf den zweiten Blick innewohnende Hoffnung an die Seite zu stellen.
Als ich Susanne das erste Mal sprach, war sie Ende dreißig und schon seit Jahren geplagt von scheusslichen Krankheitsängsten, jedes Ziehen und Stechen, jeder besonders kraftlose Tag ließen Gewissheiten in ihr aufsteigen, einen unheilbaren Tumor zu haben. Susanne hatte nach der Ausbildung einen sportlichen, ehrgeizigen Unternehmer geheiratet, das ultimative no return - Package zu ihrer freud- und lieblosen ärmlichen Kindheit. Spät, vielleicht zu spät, hatte man dann gemeinsam sich noch für ein Kind entschieden. Zur Abrundung sozusagen, wenngleich die Kleine, wie in solchen Fällen fast typisch, vor allem dadurch auffiel, das sie anstrengend war und Susanne zusätzlich quälte. Nun hatte sie ein sehr großes Haus, einen Mann, der ihr "alle Freiheiten" liess, ein Kind, spielte Squash mit sogenannten Geschäftsfreunden. Wenn sie ihrer Mutter erzählen wollte, wie es ihr geht, sagte die zu ihr: "Du hast doch alles".
Elf Jahre später kam sie wieder. Die Krankheitsängste waren nicht mehr zurückgekehrt. Trotzdem hatten wir noch keine gute Arbeit gemacht. Seit einigen Monaten fühlte sich Susanne "völlig fertig". Morgens mochte sie nicht aufstehen. Alles war ihr zuviel. Der Internist hatte ihr "Aufbauspritzen" verabreicht. "Sie haben Glück, denn die private Kasse zahlt sowas". Wie ich sie bewundere, diese Machbarkeitskünstler. Genutzt hatte der Aufbau nicht. Die Tochter war 18 geworden und demnächst würde sie endlich, endlich ausziehen. Ihre erste Wohnung war von Mami und Papi renoviert und eingerichtet worden, Miete zahlen brauchte sie nicht und für einen Ausbildungsplatz trotz geschmissener 13. Gymnasialklasse war gesorgt. Bei einer Bank, das war der wenig überraschende Wunsch der mit einem Cabriolet, einem Freund, der ihr nach Susannes Prognose eventuell bald zu langweilig werden würde, sowie einer kosmetischen Nasenkorrektur ausstaffierten Tochter. Ich litt zuweilen unauffällig unter der Vorstellung, in fünfzehn Jahren zufällig diese Tochter behandeln zu sollen und dann nicht zu wissen, wie. Susanne konnte nicht gut in sich hineinblicken. Die Sitzungen irgendwie zu gestalten, oblag mir und war extrem anstrengend. Immerhin konnte sie erkennen: der ersehnte Auszug ihrer Tochter ängstigte sie furchtbar. "Aber dann haben Sie doch mehr Zeit zu zweit mit ihrem Mann". Es entfuhr ihr die Bemerkung, diese Aussicht fände sie "schwierig". Ich schlug ein Gespräch zu dritt mit ihm vor.
Er war sofort bereit und ließ ausrichten, er unterstütze sie selbstverständlich. Wenn das helfe, dann sei er da! Drahtig, gutaussehend und gelangweilt nahm er neben seiner früher attraktiven, jetzt zu bemüht blondierten Frau Platz. Er sei zufrieden. Mit seinem Leben, mit seiner Ehe, er habe keinen Anlass zur Klage. Wenn er etwas tun könne - selbstverständlich jederzeit! Susanne weinte während des Gesprächs meistens leise. Sie wisse auch nicht, warum. Sie benutzte oft den Begriff "leer", um sich selbst zu beschreiben.
L' amore si fa in 2, non posso essere io questa meta di niente!
L' amore si fa in 2, non posso essere io questa meta di niente!
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