f Psychogeplauder: Rosamunde

Sonntag, 18. September 2016

Rosamunde




Herrliche  Rose,  wie  gemalt
und  trotzdem  echt


Sie hatte offenbar schon einmal angerufen, wie ich später auf dem Display des Telefons feststellte. Den ersten Kontakt hatte ich dann bei ihrem zweiten Anruf, der exakt während meiner telefonischen Sprechzeiten
erfolgte. Sie sagte als erstes, wer sie sei und nannte mir ihren Vor- und Nachnamen; dann fragte sie, ob sie störe, und berichtete, kurz zusammenfassend, wer sie zu mir überwiesen habe. Ob es möglich sei, ein erstes Gespräch zu führen. Wir fanden nach kurzer Zeit einen Termin, sie sagte, das sei ihr wichtig, sie werde dafür eine andere Verpflichtung verschieben.
Zum Erstgespräch kam sie fünf Minuten früher, entschuldigte sich dafür, sie habe nicht zu spät kommen wollen. Sie stellte sich noch einmal vor. Bevor sie sich setzte, übergab sie mir, ohne dass ich danach fragte, ihre Versicherungskarte und eine gültige Überweisung. Eine Frau Mitte vierzig, die mir berichtete, dass sie unter Problemen mit hohem Blutdruck und anfallsweisem Herzrasen leide und ihr Hausarzt ihr neulich angeraten habe, es mit einer Psychotherapie zu versuchen. Die Dauer ihrer Beschwerden bezifferte sie auf unter fünf Jahre. Es komme ihr insgesamt ein wenig seltsam vor, hier zu sitzen, sie habe noch nie eine Psychotherapie gemacht, aber sie sei bereit, es zu versuchen, und sie habe auch ein Vertrauensverhältnis zu ihren behandelnden Ärzten. Wenn die also sagten, es sei psychosomatisch, dann werde wohl auch etwas dran sein. Dann fragte sie mich, ob es mir lieber wäre, wenn sie meine Fragen beantworte oder ob sie weiter berichten solle.
Rosamunde erzählte dann, zunächst langsam, um mir zu gestatten, etwaige Notizen ohne allzu große Eile anzufertigen, und dann etwas flüssiger. Auf Nachfragen nach einigen lebensgeschichtlichen Daten, vor allem Zeitzusammenhängen, dachte sie konzentriert nach und gab dann die Antwort. Sie war trotz ihrer Beschwerden bisher nur wenige Tage krankgeschrieben gewesen und wollte dies auch gar nicht weiter sein. Wenn ich etwas kommentierte, unterbrach sie mich nicht und hörte zu. Sie blieb etwas zurückhaltend, prüfend, aber ohne vorgetragene Skepsis. Einmal, als ihr die Tränen kamen, holte sie ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche, welches sie später, nachdem sie es aus Versehen auf dem Therapiesessel abgelegt hatte, rasch wieder einsteckte. Als ich ihr ein zweites Gespräch anbot, bedankte sie sich und sagte zu. Sie schrieb auf einen kleinen Zettel meines bereitliegenden Zettelblocks die Uhrzeit und legte danach meinen Kugelschreiber wieder zurück, ohne ihn versehentlich in ihre Tasche zu stecken. Der zweite Termin war erst zehn Tage später gelegen, aber sie sagte nicht, das sei aber lange.
Als wir aufstanden, bedankte sie sich für das Gespräch. Es folgte kein Hinweis unter der Tür, dass sie sich allerdings noch zwei andere Therapeuten anschauen wolle.
Nachdem sie die Praxis verlassen hatte, bemerkte ich einen feinen Duft, der nicht an Knoblauch oder Bratfett, eher an Seife oder ein Rosenparfum erinnerte.

Also, wenn du jetzt immer noch denkst, die Geschichte sei wahr, dann gehörst du vermutlich zur Romantikfraktion, die sich Sonntag abends Pilcherfilme ansieht. Ich jedenfalls wollte gerade nur mal ein bisschen am laptop träumen, denn es ist Sonntag abend und Das Zweite® hatte heute eine Wiederholungssendung  im Angebot, die ich leider schon kenne.









Für Bettina in dankbarer Erinnerung an die wirklich guten alten Zeiten!































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