Jedem Brot sein eigenes Backrohr ! |
Der Begriff Einschieben löste bei mir jahrelang eine Allergie mit einhergehendem heftigem Terminkalenderzuklappimpuls aus,
und das seit dem Tage, an dem eine osteuropäische geschätzte Psychotherapeutin und befreundete Bekannte mich anrief, um mir dringlichst die Behandlung eines Patienten anzutragen, den sie selbst leider aufgrund begrenzter zeitlicher Kapazitäten nicht annehmen könne. "Waisst du Margaräte, man mächte hälfen, man kännte hälfen, aber man hat kaine Zait!" Unser Telefonat erstreckte sich über eine ganze Weile, weil sie, wie immer, wortgewaltig und hartnäckig war wie ein Versicherungsvertreter, und ich, was du nun wahrlich nicht wissen kannst, an jenem Tage nicht in Bestform war und den ganzen Wortschwall zunächst einmal stumm über mich ergehen ließ. Ich begann dann aber doch noch zu argumentieren, dass es wirklich zur Zeit nicht gehe, ich sei komplett voll (ein ultimativer Psychotherapeutenchiffre für: „Bitte keine weiteren Anfragen, mir steht gerade meine Arbeit bis zum Hals!“). Aber Oksana ließ nicht locker und fragte indiskreterweise angesichts meiner prahlerisch, aber wohl zu naiv vorgebrachten Vollbeschäftigung: "Margaräte, waas verdienst du?" Es war aber eigentlich gar keine Frage, sondern ein rumänischer Imperativ, denn wenn ich soviel verdiente, dann sei es ja wohl ein Zeichen von ausgleichender Gerechtigkeit und basaler Humanität, wenn ich einem leidenden Akutpsychotherapiepatienten, wenn auch unter gewissen zeitlichen Opfern, "wänigstens zum ärsten Stabilisieren" einen Termin anböte. Ich ruderte mich weiter durch ihren Sturm der Entrüstung, und dann fiel dieser Satz, von dem ich mich bis vor kurzem nicht mehr erholen sollte: "Margaräte, kannst du nicht einschieben?"
Also bei Einschieben denke ich eher an Dinge wie dokumentengefüllte Sammelmappen oder an Diashows mit alten Projektoren, die mit diesen kleinen Diabildchen bestückt werden und für jedes Photo musst du ein solches in eine genau dafür vorgesehene Plastikschiene schieben. Man könnte, als guter Therapeut Freud´scher Schule, auch noch an gewisse sexuelle Metaphern denken, wer schiebt was wo rein und, vor allem, wo nicht? Jedenfalls empfand ich es als zu mechanisch, mir vorzustellen, einen mir unbekannten Patienten einzuschieben, was ja wohl heißen sollte, zwischen zwei andere Patienten, also wie wenn die Schnur eines an sich festverschnürten Pakets im letzten Moment nochmal halbherzig aufgefummelt wird und du drückst dann mit aller Gewalt noch ein vergessenes Utensil rein, hoffst, dass sich weder jenes noch die bereits darin befindlichen Sachinsassen daraufhin verbiegen oder, schlimmer noch, die ganze Chose aufplatzt. Damals hatte ich keine Kraft mehr, um beispielsweise die Aufplatzgefahr (meine) zu demonstrieren oder auch meine engagierte Auftraggeberin darauf hinzuweisen, dass der deutsche Begriff „Einschieben“ doch eher eine räumliche und keine zeitliche Dimension beschreibe, schließlich könne man Stunden und Minuten nicht wirklich dehnen. Zudem hatte ich Assoziationen von Gewalt, also ich meine, was, wenn Oksana in Wirklichkeit zur Russenmafia gehörte und die Frage nach meinem Verdienst nicht nur so dahingesagt?
Der Patient kam dann also, überdies auch noch zur Unzeit, da er, wie sich herausstellte, nur in den Abendstunden zur Verfügung stehen konnte, weil aus dem Süden angereist (Camorra?). Es war ein durchgedrehter Tierarzt, dem Oksana noch einen Gefallen schuldete, der aber ansonsten derart krank war, dass es nobelpreisverdächtiger Überredungskünste und daraufhin einer zusätzlichen anderthalb-stündigen polizeilich eskortierten Aktion bedurfte, um ihn stationär unterzubringen. Auf Einschiebungen bin ich seither nicht mehr gut zu sprechen. Da lob´ ich mir die Deutsch-Schweizer. Erstens sind sie bedächtig und gemütlich und zweitens haben sie schönere Wortbedeutungen. In Basel habe ich mal das schwyzerdytsche Pendant zum Eingeschobenen erlebt, dort sagen sie eingeklemmt und die sogenannten Eingeklemmten sind wunderbare Sandwichs mit saftigen, aus der oben und unten flankierenden Brötchenmasse herauszuquellen scheinenden üppigen Einlagen wie feinstem Schinken, Guacamolcreme, Tomaten-scheibchen, Feldsalatblättchen, Wildleber-pastete und gekochtem Ei. Diese Eingeklemmten liegen fein säuberlich aufgereiht in Glasvitrinen von eleganten Cafe´s und warten auf dich, geduldig und ohne während der Wartezeit anzufaulen. Nach der Aktion mit Oksana zog ich so meine Schlüsse, also um nicht zu sagen, ich war ihr ziemlich gram, zumal sie eine erfahrene Therapeutin war und offenbar geahnt hatte, welche „Stabilisierungen“ gemeint waren und dass da mit dem psychotischen Pferdeflüsterer Zeit und Nerven des Therapeuten auf´s Äußerste strapaziert würden. Außerdem wollte ich eine Zeit lang nach Basel umziehen, wegen der Eingeklemmten, und um mich von der Einschiebesache durch Umdeutung im Sinne einer genialen Refraiming - Aktion zu erholen, aber das ließ ich letztendlich doch wieder bleiben, aus Gewichtsgründen, und beschloss stattdessen, nie mehr einzuschieben. Jedem Brot gehört sein vorgesehenes Backrohr, soviel Ordnung muss sein.
Der Patient kam dann also, überdies auch noch zur Unzeit, da er, wie sich herausstellte, nur in den Abendstunden zur Verfügung stehen konnte, weil aus dem Süden angereist (Camorra?). Es war ein durchgedrehter Tierarzt, dem Oksana noch einen Gefallen schuldete, der aber ansonsten derart krank war, dass es nobelpreisverdächtiger Überredungskünste und daraufhin einer zusätzlichen anderthalb-stündigen polizeilich eskortierten Aktion bedurfte, um ihn stationär unterzubringen. Auf Einschiebungen bin ich seither nicht mehr gut zu sprechen. Da lob´ ich mir die Deutsch-Schweizer. Erstens sind sie bedächtig und gemütlich und zweitens haben sie schönere Wortbedeutungen. In Basel habe ich mal das schwyzerdytsche Pendant zum Eingeschobenen erlebt, dort sagen sie eingeklemmt und die sogenannten Eingeklemmten sind wunderbare Sandwichs mit saftigen, aus der oben und unten flankierenden Brötchenmasse herauszuquellen scheinenden üppigen Einlagen wie feinstem Schinken, Guacamolcreme, Tomaten-scheibchen, Feldsalatblättchen, Wildleber-pastete und gekochtem Ei. Diese Eingeklemmten liegen fein säuberlich aufgereiht in Glasvitrinen von eleganten Cafe´s und warten auf dich, geduldig und ohne während der Wartezeit anzufaulen. Nach der Aktion mit Oksana zog ich so meine Schlüsse, also um nicht zu sagen, ich war ihr ziemlich gram, zumal sie eine erfahrene Therapeutin war und offenbar geahnt hatte, welche „Stabilisierungen“ gemeint waren und dass da mit dem psychotischen Pferdeflüsterer Zeit und Nerven des Therapeuten auf´s Äußerste strapaziert würden. Außerdem wollte ich eine Zeit lang nach Basel umziehen, wegen der Eingeklemmten, und um mich von der Einschiebesache durch Umdeutung im Sinne einer genialen Refraiming - Aktion zu erholen, aber das ließ ich letztendlich doch wieder bleiben, aus Gewichtsgründen, und beschloss stattdessen, nie mehr einzuschieben. Jedem Brot gehört sein vorgesehenes Backrohr, soviel Ordnung muss sein.
Neuerdings sind ja wieder Notfallsprechstunden und Hotlines für Psychotherapeuten im Gespräch. Das wird nun gesetzlich verankert, dass wir, mit Schwesternhäubchen auf dem Kopf, tatütata, wöchentliche Sprechstunden mit Notfallpsychotherapie anbieten sollen. Ob es wirklich echte psychotherapeutische Notfälle gibt, die nicht zugleich psychiatrische Notfälle sind, und ob es sich hierbei nicht doch meistens um vor ihren Bezugspersonen schwer agierende, situativ drängende, ansonsten aber unzureichend motivierte oder anderweitig ziemlich therapieresistente Patienten handelt ... und ob wir wirklich über soviel verbales Werkzeug verfügen, um Beruhigungsspritzen, Tablettenpackungen, vorübergehende Krankschreibungen und fundierte Beratung Angehöriger, die wir im Gegensatz zu manchem Hausarzt noch nie gesehen haben, sozusagen ganzheitlich-ökologisch durch Akutgequassel und Liebe zu ersetzen… ich hab´ da so meine Zweifel. Aber Berufspolitik muss natürlich sein, ob Schweiz oder nicht.
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