f Psychogeplauder: Feierabend bei Therapeutens

Sonntag, 3. Dezember 2017

Feierabend bei Therapeutens




Hubsi  möchte  entspannen



Es sei mir nachgesehen, dass ich heute einmal nicht die Therapeuten in den Mittelpunkt stelle, sondern kurz innehalte, um dankbar die Lebens-, Ehe- und WG-Partner von Therapeuten zu würdigen,
die ihr Dasein neben diesen sensiblen und belasteten Wesen fristen müssen. In Wahrheit haben sie sogar ein noch größeres Päckchen als ihre therapeutisch tätigen Partner zu tragen; kommt der Therapeut abends nach hause, ist ihm weder nach Offen-Reden noch nach Verdeckt-Kommunizieren. Er möchte seine Ruhe, allenfalls unterbrochen durch ein fürstlich zubereitetes Mahl, und einfühlsamer Austausch über etwaige Probleme seines Gefährten, geschweige denn Dialoge mit der Einleitung Wie war dein Tag, Schatz ? sind ihm ein seine seelische Restgesundheit angreifender Graus.

Wer LORIOT mag, wird möglicherweise an den folgenden Ausführungen seine verdiente Freude haben, und wer nicht, kommt auch nicht drumherum, denn ich schildere bloß, wie´s wirklich ist, und selbst ein habitueller Loriotablehner wird ja nicht etwa vor der Realität seine fernsehmüden Augen verschliessen wollen. In etwas arg freier Adaptation lege ich nun das Schicksal unserer beiden Protagonisten, Hubsi und Swami, in die Hände des bekannten Sketchs „Feierabend“* des Großmeisters. Hubsi heisst eigentlich Hubert, aber der nicht allzu großgewachsene freundliche Empathiker wird in seinem rudimentär erhalten gebliebenen privaten Umfeld nur in der Verniedlichungsform angesprochen; und Swami, seine langjährige Gattin,  heisst von Geburt an Gertrud-Regine, hat sich aber vor langer Zeit nach einer viermonatigen Reise zu einem Ashram ins indische Rishikesh einschlägig umbenamen lassen.

- Trommelwirbel -



Falls du dir noch ein Bier holen wolltest, tu´s am besten jetzt.


Ein baulich offensichtlich den 80ern entsprungenes Reihenmittelhaus-Arrangement mit sogenannter offener Durchreiche zwischen der Küche, wo Swami an der Edelstahlspüle steht, und dem zimmerpflanzenbegrünten Wohnraum, wo Hubsi sich gerade anschickt, es sich gemütlich zu machen. Aufgrund der Durchreichesituation hat Swami Hubsi akustisch voll und optisch partiell unter Kontrolle, was im weiteren einen nicht unerheblichen Umstand zum tieferen Verständnis des Dialogs darstellt. Sie trägt zitronengelbe Gummihandschuhe und schabt Möhren. Bunter, weitgeschlungener Schal. Affektiv ist sie imposant gleichbleibend, völlig ungerührt während der folgenden zehn Minuten. Er steuert, schon im rotblau-gestreiften Bademantel, auf einen bequemen Sessel zu. Zum psychischen Befund: affektiv ist unser Hubsi im Vergleich zu seiner Gattin etwas instabil, mit rezidivierend unterdrücktem Ärger. Er trägt ein großes Buch eingeklemmt unter dem Arm, darauf steht in großen Lettern: DIRIGIEREN FÜR ANFÄNGER. Er nimmt auf dem Fernsehsessel Platz, legt das Buch zunächst vor sich auf dem Glastisch ab, sie macht weiter ihre Küchenarbeit. Er streckt die Beine entspannt aus, lehnt sich zurück und seufzt wohlig. Eine Weile ist Stille. 

Swami:   
„Schaaaaatz ?“
Hubsi:    
"Ja?" 
Swami:   
"Was machst du da?" 
Hubsi:    
„Nichts!" 
Swami:   
"Nichts? Wieso nichts?" 
Hubsi:    
"Ich mache nichts!" 
Swami:   
"Gar nichts?" 
Hubsi:    
"Nein." 
Swami:   
"Überhaupt nichts?" 
Hubsi:     
"Nein, ich sitze hier!" 
Swami:    
"Du sitzt da?" 
Hubsi:     
"Ja." 
Swami:    
"Aber irgendwas machst du doch!"
Hubsi:     
"Nein." 
Swami:    
"Denkst du irgendwas?" 
Hubsi:     
"Nichts besonderes." 

Swami (blickt erstmals von den Karotten hoch ins Wohnzimmer rüber):    
„Du weißt aber schon, dass es Freitag abend ist !“
Hubsi (etwas verunsichert):   
„Ja …?“
Swami:    
„Du wolltest doch diese Woche noch einen  Therapieantrag schreiben!“
Hubsi:     
„Ja …!“  
Swami:    
„Ich seh´ es schon kommen, das Wochenende fällt wieder flach, weil Du den Therapieantrag noch schreiben musst.“
Hubsi (allenfalls subtil gereizt):  
„Ich mach´ es ja noch.“
Swami :   
„Sei doch nicht gleich so gereizt. Mir ist das doch egal, ob Du Deinen Antrag schreibst.“
Hubsi  (seufzt, reißt sich zusammen): 
„Ja. Entschuldige.“
Swami:     
„Also, was willst Du denn nun?“
Hubsi:      
"Ich möchte hier sitzen!" 
Swami:     
"Ich möchte ja nur nicht, dass Du am Wochenende wieder dran sitzt.“
Hubsi:      
„Ich bin im Moment nicht in Stimmung für einen Antrag“.
(Kurze Stille)
Swami (sinniert mit Blick in die Ferne):
„Vielleicht … hast Du ein Antriebsproblem“.
Hubsi:     
„ Ja. Nein. Vielleicht“.
Swami (gelangweilter Tonfall):
„Du kannst einen ja wahnsinnig machen. Erst willst du einen Antrag schreiben, dann wieder nicht.“
Hubsi:     
“Du wolltest, dass ich einen Antrag schreibe“.
Swami (mit dem Timbre einer tibetischen Gebetsmühle): 
„Nie haben wir ein Wochenende. Entweder Du sitzt in deinem Saftladen … oder du hältst  Seminare … oder du fliegst mit Deinen Kollegen nach London zur Elitenschulung …  oder Du musst einen Antrag schreiben. Ich sage meinen Yoga-SchülerInnen immer: Liebe Leute, die WLB muss stimmen.“
Hubsi (zerstreut, da er gerade bei dem Wort WLB sein Buch gegriffen und  aufgeklappt hat:
„Was ?“
Swami:    
„Die work-life-balance. Die freuen sich richtig auf meinen Unterricht. Die strahlen von innen !“
Hubsi (seufzt, legt das Buch zurück, schweigt, schenkt sich ein Glas Wein ein): 
„----„
Swami:    
„Vielleicht musst Du  auch mal entspannen!“
Hubsi:     
„Das will ich gerade.“
Swami:   
„Dann rede doch nicht dauernd auf mich ein!“
Hubsi (etwas lauter, subtil gereizt): 
„Ich möchte einfach nur hier sitzen.“
Swami: „Entschuldige, Schatz. Vielleicht muss ich mich einfach noch stärker einfühlen…  in deine Welt.“
(Swami macht eine nachdenkliche Pause und blickt durch´s Küchenfenster philosophisch ins Weite, soweit dies der bereits im Halbdunkeln liegende Vorgarten zulässt).
„Weißt Du, als Yogalehrerin … bin ich seit  Jahren mit  den tieferen  Schichten der Menschen beschäftigt… und nicht so …wie Du … ständig … bloß mit dem Mentalkörper.“ 
Hubsi (rollt die Augen, weil er weiß, dass Swami das nicht sehen kann):
„----„
Swami:   
„Kann ich Dir helfen ? Das ist doch nicht so … schwer… ich weiß ja, was  Du immer so schreibst!“
(Da Hubsi nichts mehr sagt, redet Swami weiter)
„Also, die Störung formte sich …  depressive,  unglückliche Mutter…Objekte …nicht ausreichend stabil... der abwesende Vater…  für die Triangulierung nicht zur Verfügung … Objekte …nicht ausreichend stabil…auch in der Pubertät …  als zweite  Chance der Indi… In…  na ja…nicht ausreichend stabil ... Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung … (etwas gelangweilt)… Aggressionen  zulassen  …(gähnt und zerbricht mit den Händen eine Karotte) … ohne das Objekt zu zerstören... Miteinbeziehung traumaspezifischer Techniken …  soweit erforderlich …. ohne den Rahmen  der Methode zu verlassen…soweit erforderlich …Bearbeitung des Therapieendes … soweit erforderlich ... ohne  durch den Abschied ein erneutes Trauma zu setzen…“
Hubsi (unterbricht sie, leichtgradig genervt): 
„Ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich in den Antrag schreibe“.
Swami : 
„Sei doch nicht gleich so genervt. Du fühlst Dich doch im Grunde nur hilflos. Ich meinte nur, es könnte ja nicht schaden, wenn ich Dir Deine Stichworte gebe.“
Hubsi:      
"Ja, Entschuldige. Ich möchte halt im Moment nur hier sitzen!" 
Swami:     
"Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen!" 
Hubsi:       
"Gar nicht plötzlich. Ich wollte immer nur hier sitzen!" 
Swami:     
"Sitzen?" 
Hubsi:      
"Ich möchte hier sitzen und mich entspannen!" 
Swami:     
"Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd rumnörgeln!" 
Hubsi:      
"Ich sag ja nichts mehr!" 
Swami :   
„Wenn Du keine Ideen hast, nimm Dir doch eine Supervisionsstunde !“
Hubsi (platzt mittelgradig) : 
„Ich gehe nicht in Supervision, nur 
damit Du besser mit mir zurechtkommst !“
Swami:     
Ich hab´ damit kein Problem. Das ist 
nicht meins. Du schiebst mir da jetzt was hin. Ich möchte das nicht. Ich bin ganz gut bei mir und achtsam und kann das alles geschehen lassen.“
Hubsi (schenkt sich bei dem Wort ACHTSAM stumm Rotwein nach):
 „…“
Swami:     
"Schätzchen?" 
Hubsi:       
"---" 
Swami:     
"Bist du taub?" 
Hubsi:      
"Nein, nein." 
Swami:     
"Du tust eben nichts, damit es Dir besser geht ! Stattdessen sitzt Du nur da!" 
Hubsi:        
"Ich sitze hier, weil es mir Spaß macht!" 
Swami:      
"Sei doch nicht gleich so aggressiv!" 
Hubsi:       
"Ich bin doch nicht aggressiv!" 
Swami:      
"Warum schreist du mich dann so an?" 
Hubsi:        
"ICH  SCHREIE  DICH  NICHT AN!"



* Anmerkung: den knapp vierminütigen Zeichentrickfilm 
zum Loriot-Sketch "Feierabend", der diesem 
Beitrag zur Inspiration diente, konnte man sich 
vor Loriots Tod im Netz anschauen



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