f Psychogeplauder: Zu Besuch bei großen Köpfen (Highflyer)

Freitag, 23. Februar 2018

Zu Besuch bei großen Köpfen (Highflyer)



Schwarzes Leder:  man  hätte  es  wissen  können




Was wirklich aufregend ist bei dem Beruf des Psychotherapeuten, ist der tiefe Einblick in andere Leben. So viele Leben, wie man da kennenlernen kann, kann man gar nicht selber leben, sogar wenn man die Möglichkeiten des Hinduismus mit einberechnet. Du erfährst, wie es in Großküchen zugeht, wie sich Lehrer fühlen, wenn Klassenarbeiten geschrieben werden, wie die Forschung bezüglich des automatisierten Fahrens vorankommt und wer wem dabei aufgrund der Ellenbogenkämpfe der Autohersteller untereinander einen ganzen Arm ausgekugelt hat; du erhältst Kenntnis davon, wie ein Pfarrer sich behilft, wenn er für seine Sonntagspredigt einfach keine Idee hat, und wie es sich anfühlt, an einem stinknormalen Montagmorgen schon die dritte Leiche für den Abtransport aus der Station 17 b fertigmachen zu müssen. Manche Sachen sind wirklich interessant. Manches wolltest Du aber auch gar nicht wissen. 


So erging es mir mit dem Einblick in die Welt der Wirtschaftskanzleien und Unternehmensberater.
Ich meine jetzt nicht die kleinen, netten Newcomer mit drei Mitarbeitern, bei denen einigermaßen normal aussehende Espressomaschinen zwecks Kundenorientierung rumstehen und New-York-City-Poster in der Teeküche hängen, die dem Traum von der großen Welt wenigstens auf 60 mal 80 Zentimetern freien Lauf lassen. Bei denen ein Mini Cooper in Rot mit Union Jack Side Scuttles auf dem Hof steht und der Unternehmerstolz sie beflügelt. Ich meine die wirklich Großen des Business. Ich habe mir sagen lassen, dass selbst da, also in dieser Range, sich noch Unterschiede der Psychopathologien ausmachen lassen: es gibt die normalen ehrgeizigen klugen Leute, die etwa 60 bis 70 Stunden in der Woche arbeiten, ihr Privatleben der Arbeit unterordnen und die hoffen, Karriere zu machen. Es gibt aber auch noch eine andere Gruppe. Das sind die Highflyer. Der Begriff wurde eigentlich klassischerweise für Unternehmen und Aktien erfunden, die rasch nach oben schießen. Doch so nennt man in den Kreisen, denen dieser von sprachlosem Entsetzen bedrohte Post gewidmet ist, auch manche lebendigen Phänomene; das sind diejenigen in einer Firma, die fast keinen Schlaf brauchen. Menschen, die sich Ressourcenblockade nicht leisten können und von denen du nie weißt, ob sie gerade in London, Zürich oder München sind. Aber du kannst es manchmal im Outlook erkennen. Ihre Performance ist unwidersprochen und beim halbjährlichen Meeting lassen sie sich in der Kaffeepause von budapesterbeschuhten Kollegen und ambitionierten Mitarbeitern dafür beglückwünschen. In den schwindelerregenden Höhen, mit denen wir es hier zu tun haben, dominieren, daran konnte Manuela, unsere blonde Ex-Familienministerin der Herzen, noch nicht viel ändern, noch immer bei weitem die Männer. Sie sind gewohnt, andere springen zu lassen. Ihr Privat- und, sofern überhaupt vorhanden, Familien-Leben empfinden sie als wichtigen Ausgleich und ansonsten zutiefst langweilig. Sie lieben Power Point, KPI - Konzepte und Innovation. Und sie lieben die Frauen. Am liebsten in High Heels, gerne im Rock, gerne ebenfalls im Bullshit Business tätig, wie sie es selbst gelegentlich voll reflektierter Selbsterkenntnis süffisant umschreiben; und gerne ein bisschen anders: sie mögen das Weib als Sub. Sie, die erfolgreiche, attraktive, intelligente Frau, wird dann als Bunny aktiviert und begibt sich doch tatsächlich auch öfters als selbiger zu Diensten ihres Riggers, das ist der Top, der sie peitschen, fesseln und auf diese im wörtlichen Sinne atemberaubende Weise knechten darf. Manche Rigger halten es im Laufe ihrer Mission nur für eine immer kürzere Zeit noch aus, bis sie wieder knechten dürfen, und nutzen bereits die wenigen Stunden nach Ende eines Geschäftsmeetings, um zu erkunden, ob sich, bevor sie kurz zuhause zum Kofferinhaltauswechseln vorbeischauen, vorm Morgengrauen noch eine Sub, gerne aus den eigenen beruflichen Reihen, anböte,  für ein paar Stunden mit ihnen im Hotel zu verschwinden. Sie reden auch untereinander, jedenfalls auf der Highperformer-Etage des Unternehmens, und diskutieren darüber, welche der rar gesäten weibliche Kolleginnen sich wohl als Sub eigne oder auch quasi sicher als solche zu erkennen gebe. Man tauscht deren Interessen und Handynummern aus. Denn vor so einem langfristig angelegten Projekt ist die Negotiation wichtig. Da wird verhandelt über Wünsche, Vorstellungen, Vertrauen, Schwächen. Man will Diskretion und keine Unfälle. Schwierig sind die Urlaubszeiten; hier muss manchmal das Netz herhalten, um kurzfristig als Graf von der Lausitz oder Baron van Bemmen aufzutreten und abzuheben, und nicht selten muss zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt ihrer Ehe (sofern sie noch eine führen) die eigene Frau, bisher keine Sub, nun doch zur Sub umgeschult werden. Da können sie mit langen Negotiationgesprächen und gewissem Druck in Form von 3000 Euro teuren Handtaschen manchmal etwas erreichen. Oder einfach dadurch, dass Kinder da sind. Einmal allerdings, da sprach ich mit einer Anfänger-Sub aus besten Kreisen, die dann doch unruhig wurde bei der Vorstellung, ihre Kinder bei ihrem Highflyergatten alleine zu hause im gepflegten Villenviertel zu lassen. Wenn sie eines Tages durch das Seil ersticke, während sie ihren Bondage-Pflichten nachkommen würde, dann könne sie mit dieser Aussicht mittlerweile leben; zumal es unwahrscheinlich sei, sie habe als Codewort mayday vereinbart, das habe allerdings neulich nicht funktioniert. Doch beim Gedanken an ihre beiden Kinder, da werde ihr etwas mulmig.

Sie scheinen sich in gewissen Metiers nicht zu häufen, sondern zu stapeln: die Rigger oder Tops. Ich glaube, das ist so eine Art deformation professionelle, die einem schon wieder leid tun muss. Wenn es nicht klappt mit der dreistündigen Hoteltortur, sitzen sie in kühl gestylten Bars mit einem weiblichen, sündhaft teuer gekleideten standhaften Noch-nicht-Bunny, trinken Whisky und weinen wie Kinder.

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