f Psychogeplauder: Deppen im Dienst

Montag, 9. Dezember 2019

Deppen im Dienst


Vorsicht,  Bluff!


Neulich saß ich wieder einmal in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Normalerweise mache ich da Milieustudien und peile darüberhinaus die gesamtgesellschaftliche Lage. Diesmal wollte ich aber bloß im Zug von A nach B fahren, genauer gesagt, ich habe meine Patentante besucht und das ohne Auto, denn draußen waren die Straßen glatt und eisig. Aber es wurde dann trotzdem eine Milieustudie draus. Was willste machen, die Trigger waren derart stark, dass ich gar nicht anders konnte.


Bei der zweiten Haltestelle meiner Reise stiegen zwei ausgebildete Fachkräfte der DB Sicherheit zu.
Das ist der Sicherheits- und Ordnungsdienst der Bundesbahn, an sich eine gute Idee, aus Fahrgastsicht. Aber, was musste ich erleben! Sie standen sich beide gegenüber an einer Zugtüre. Der eine, etwas ältere, sprach zwar fast kein Wort während meiner circa dreißigminütigen Beobachtungstour, aber irgendwie konnte ich am Gesicht des anderen, jüngeren Mannes ablesen, dass der Ältere der Chef war. Also, sie guckten sich eine halbe Stunde lang an, anstatt mal einen Blick ins Zuginnere zu werfen. Ein solcher Blick wäre sogar möglich gewesen, ohne sich groß zu bewegen, man hätte eigentlich nur seinen leicht übergewichtigen Körper im Rumpf etwas drehen müssen. Aber es war Samstag nachmittag und ich kann verstehen, dass der ältere lieber sein Handy rausholte und nach breaking news suchte. Besser als den lauter werdenden Fahrgastgesprächen zu lauschen, die durch besoffene Bundesligafans übertönt wurden, die sich gegenseitig anpöbelten. Der jüngere rollte die Augen, blieb aber standhaft auf seinem Türstehposten. Ich vermute, der ältere hätte ihm andernfalls ein Startzeichen geben müssen, und das hat er nicht getan. Die Bundesligakerle begannen, Servietten zu zerreißen und in klitzekleinen weißen Krümelchen mit aufreizender Geste dann fallen zu lassen, wozu sie extra aufstanden, weil das den Runterfallradius der Fetzen erhöhte. Ich überlegte, ob es vielleicht in einem anderen Waggon etwas angenehmer sein könnte. Das Pärchen gegenüber unterhielt sich währenddessen über das DB Sicherheitspersonal – also nur im Allgemeinen, wenn auch nicht direkt über die beiden, obwohl ich glaube, dass a) die beiden gemeint waren und b) extra so laut gesprochen wurde, dass die beiden Sicherheitshelden das hören hätten können. Kurz vorm dritten Zughalt schritt der ältere plötzlich, ich war ganz perplex, dreizehn Meter weit, bis er direkt vor den Kerlen ankam, die sich gerade anschickten, ihre schwarzen Parkas zusammenzurollen und Richtung Ausstieg zu marschieren. Dort an der Türe schob der jüngere, auf dessen Ansteckschildchen ich nun lesen konnte, dass er sich in Ausbildung befand, weiter Wache. Der Chef fragte, mit Blick auf die Krümel, „wer war das?“ – „Gehören die Ihnen?“, und erhielt von einem grinsenden Bundesligatifoso zur Antwort, „der ist gerade auf dem Klo“! Man merkte, dass die Fachkraft das nicht wirklich glaubte, worin sich ihre profunde Professionalität ausdrückte; sie blieb noch kurz stehen, murmelte irgendwas von „okay“ oder so ähnlich, und die Sache blieb auf sich beruhen. Die Männer hatten danach noch ordentlich Bier drüber gekippt, was für den Rest der Fahrt, im Verein mit der Zugheizung, begann zu stinken.

Nun frage ich mich, ob es solche Vorkommnisse auch in der Psychotherapieszene gibt; da agieren manche Protagonisten zwar nicht mit gelben Warnwesten und Biertaufen, aber dafür mit Zertifizierungsmaschinerien, die der Qualitätssicherung von Psychotherapeuten und von Psychotherapieprozessen dienen, mit virtuellen Praxisrundgängen, gerahmten Zertifikaten in der Warteecke und Veröffentlichungslisten  auf der Webseite, sowie Erklärungen, die häufig enden mit Ich freue mich auf sie!  

Na, hoffentlich freut man sich nicht zu früh. Ich hörte einmal die Geschichte über einen Psychosomatikprofessor in Hamburg. Es waren die späten Siebziger und er trug Fliege und war irgendwie hot. Er begann seine Montagmorgenvorlesung ein Semester lang jedes Mal mit den Worten: "Guten Morgen, meine Damen und Herren. Meine Damen und Herren, bitte vergessen sie nicht: Der Prozentsatz an Idioten ist unter Psychotherapeuten genauso hoch wie in der Restbevölkerung."

Leider ist nicht anzunehmen, dass der neu geplante Approbationsstudiengang die Worte des Professors obsolet werden lässt. Da bekommt doch der Begriff „Warnweste“ eine ganz neue Bedeutung! Leute, Augen auf, achtet bei der Therapeutensuche drauf, wer wirklich zu Euch passt, und wem Ihr glaubt, und gebt ihm fünf Sternchen im Netz, damit andere verschont bleiben vom Idiotenprozentsatz.

Meine Güte, Margarethe, das war aber gar nicht adventlich!




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