f Psychogeplauder: Die nicht so sind (Älterwerden I)

Sonntag, 20. Juli 2014

Die nicht so sind (Älterwerden I)



"Morgendlicher Empfang der Comtesse" (Gemälde 1743/1745,  W. Hogarth)
   So etwa empfing die schöne Marschallin ihre Bittsteller


Leider ist es für die meisten Menschen nicht gerade einfach, sich an den Überlegungen der Marschallin zum Älterwerden zu orientieren, die sie in einer langen Betrachtung

am Ende des ersten Aktes des „Rosenkavaliers“ ausdrückt. Sie philosophiert da über die Vergänglichkeit, und man merkt, sie leidet ohne zu klagen. Manchmal steh´ ich auf, mitten in der Nacht, und laß´ die Uhren alle stehen. Aber dazu später mehr. 


Es gibt auch Patienten, die der Wahrheit völlig ungeschminkt (ha !) ins Gesicht sehen. Sie haben es aufgegeben, sich jung zu geben, sondern sie beklagen lediglich, dass sie nicht mehr jung sind. Dabei schauen sie dich an, als seist du von anderer Machart, ein kosmischer Ausländerfall, dessen Webmuster bedinge, dass er selber nicht altere und nicht sterben müsse, und nur sie selbst seien vom harten Schicksal der Vergänglichkeit betroffen. Bei der weitaus größeren Gruppe dieser Exemplare handelt es sich um sogenannte DSL´s, was jetzt ausnahmsweise nichts mit Datenübertragung zu tun hat. Es sind stattdessen drogeriemarkt-shoppende-Längerleber. Und tatsächlich ist es sehr imposant, sich da mal zwischen den meterlangen Regalen herumzudrücken (man kann ja so tun, als suche man ein spezielles antiallergisches Heftpflaster für ein Kleinkind im Falle, dass man Bekannten begegnet). Die Sache mit den Vitaminen, einzeln oder in allen erdenklichen Kombis, ist ja nun kein besonderer Renner mehr. Mittlerweile geht es um liebenswerte Fette ohne kriminelles Potential, um Mineralien (ich empfehle: ZINK !) und Tees zum Entschlacken, die dem Vitamin C–Pulver der 80er Jahre längst den lebensverlängernden Rang abgelaufen haben. Völlig Überflüssiges findest du neben ganz basal Wichtigem wie z.B. zumeist mit goldenem Herbstlaub verzierte Helferlein für die Gehirnfunktion zur Alzheimervermeidung. Die Kunden in diesen Regalreihen machen, im Gegensatz zu denjenigen in der Make Up – Abteilung, ein sehr wichtiges Gesicht, ernst und hochkonzentriert so wie die akribisch ausgewählten Inhaltsstoffe, mittels derer sie versuchen, sich später einmal keine Vorwürfe machen zu müssen, wenn sich doch irgendwelche Altersbeschwerden einstellen sollten. Ich würde mein monatliches Einkommen gerne mit dem Tagesumsatz des Ladens an Nahrungsergänzungsmitteln tauschen, für immer ! Also, sagen wir, solange ich lebe, das ist ja vermutlich doch nicht für immer, es sei denn, die andere Gruppe der ungeschminkt wahrheitssuchenden Exemplare, zahlenmäßig kleiner, aber nicht weniger interessant, behält Recht, die ISDN´s (indienaffine Shiva - dependente nerds), denn die leben ständig weiter, zukünftig meistens als Tempeltänzerinnen, und das bei vollem Bewusstsein, so dass sie sich schon heute darauf freuen können. 

Eine der meiner Ansicht nach hilfreichsten Aussagen über das Alter trifft die Marschallin im „Rosenkavalier“: Nicht quälen will ich dich, mein Schatz. Ich sag, was wahr ist, sag´s zu mir so gut wie zu dir. Leicht will ich´s machen dir und mir. Leicht muss man sein: mit leichtem Herz und leichten Händen, halten und nehmen, halten und lassen ...Die nicht so sind, die straft das Leben und Gott erbarmt sich ihrer nicht. 
Als DSLer hast du diese Strafe schon; der ganze Kram ist teuer, wirkt nicht und du musst dich auch noch dauernd darüber auf dem Laufenden halten. Ob gottgewollt oder doch ein Kollateralschaden der Aufklärungsattacken der Pharmaindustrie … sei mal ganz vornehm zurückhaltend dahingestellt. Da sind die ISDN´s vermutlich etwas besser dran, es sei denn, sie landen im nächsten Leben als abschauender Hund und ahnen es schon.


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