Symbol psychologischer Optimalversorgung |
Die ganze Sache mit der Psychoanalyse hatte ja zu FREUD´s (sorry) Zeiten Anfang des 20. Jahrhunderts ziemlichen Erfolg, vor allem in der erlauchten Welt
seiner damaligen Patienten, seiner hingebungsvoll forschenden Schüler und seiner oftmals breit gebildeten Kollegen. Dann kam die allgemeine Psychologie auch langsam an die Universitäten als neue Disziplin. In der breiten Öffentlichkeit nach dem zweiten Weltkrieg hatte die psychoanalytische Seelenkunde allerdings einen schwierigen Start. Denn es wurden die Phänomene des Unbewussten doch tatsächlich schon in den Fünfzigern mir nichts, dir nichts, in der Werbung eingesetzt. In Amerika natürlich, der Wiege des Schlechten und nie versiegenden Quelle aller Kulturkritik. Wer will schon Coca Cola trinken, Mövenpick Eis essen und Mercedes fahren, bloß weil sein Hirn auf Wegen, die er nicht versteht, manipuliert wurde … also besser gesagt, Eis essen und Mercedes fahren wollen wir schon, aber bitte absichtlich und voll bewusst und nicht als willenloses Opfer von FREUD & Co.
Später, in den Siebzigern und Achtzigern, kam dann aber doch noch die ganz große Zeit der Psychoanalyse. Man analysierte alles, nicht bloß Patienten mit Depressionen, Schluckbeschwerden oder Fahrstuhlängsten, sondern Helmut Kohl, Bücher von Kafka, das Wettrüsten, ungewollte Kinderlosigkeit, Wagneropern, Ehen und Rassenhass, prämierte Kinofilme mit zumeist verstörenden Botschaften, psychotische Zustände einzelner und Probleme ganzer Institutionen. Die Psychoanalyse sollte als Spiegel der Gesellschaft fungieren – und tat es auch. Es gab Themengebiete sowohl bei den Diagnosen als auch bei den Behandlungsansätzen, die sich je nach Zeitgeist ablösten. Narzissmus und falsches Selbst sowie das Drama des begabten Kindes gehörten noch zu den Zeiten der Alt-68er, dann kamen der sexuelle Missbrauch, später das Mobbing und zuletzt das Trauma. Schaden zugefügt bekommen in einer immer komplizierter werdenden Welt – das war ein sich immer mehr auftürmendes Riesenthema, und prompt kamen auch Begriffe und Konzepte auf, wie man sich davor schützen konnte: Allen voran die Sicherheit. Die Sehnsucht nach Sicherheit ist mir in den letzten Jahren auch in der Werbung aufgefallen (Achtung Achtung, die Gefahr für den naiven Konsumenten ist, sofern er über ein Unterbewußtsein verfügt, also nicht gebannt!). Alles kann man sich sichern, meistens gleich, für dummies, vom wohlwollenden Anbieter in den Imperativ gesetzt: sicher´ dir das Kombisparpreismegaticket, jetzt Rabattvertrag sichern, sicher´ dir deine domain und sichern sie sich noch heute einen Magnumpremiumextrakasten Hefeweizen! In der Psychotherapie wird auch dauernd gesichert, man übt den inneren sicheren Ort, alles ist qualitätsgemanagt, damit ausgeschlossen werden kann, dass der Spülkasten in der Toilette einem Patienten auf den linken Vorderfuss fällt. Und die Psychologen sind bei jeder Katastrophe „vor Ort“. Ist dir schon aufgefallen, dass zur Meldung von Busunfällen, Amokläufen in Schulen, Banküberfällen und Flugzeugabstürzen, Fährunglücken und Diskotheken-bränden in den Hauptnachrichten stets beruhigend wie das Amen in der Kirche angefügt wird: „Psychologen sind zur Betreuung der Angehörigen eingetroffen.“ Na, dann ist ja jeder versorgt!?
Ein Lied der Gruppe Silbermond kommt mir in den Sinn, das monatelang in den deutschen Charts war:
Gib mir 'n kleines bisschen Sicherheit,
in einer Welt, in der nichts sicher scheint.
Gib mir in dieser schnellen Zeit
irgendwas das bleibt.
Gib mir einfach nur 'n bisschen Halt,
und wieg´ mich einfach nur in Sicherheit.
Es ist sehr reizvoll, sich zu fragen, was wohl als nächstes kommt. In der Werbung scheint sich seit einigen Monaten ein neuer Begriff einzuschleichen: Kassieren. Sei nicht blöd! Jetzt online Antrag stellen und Prämie kassieren! Wenn ich das jetzt mal versuchsweise auf Therapeuten und Patienten transformiere – könnte einem doch etwas unwohl werden. Da deutet sich das Thema Nehmen statt Geben an. Andererseits, gegen eine Erhöhung des Sitzungshonorars hätte ich nicht wirklich etwas einzuwenden – vorausgesetzt, das passiert nicht gegen meinen Willen.
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