f Psychogeplauder: golden girls

Freitag, 13. März 2015

golden girls


fass´.....  mich  nicht  an !!



Die klassische Entwicklungspsychologie hat einen gravierenden Haken: sie endet mit dem Ödipus, im 5. oder maximal 6. Lebensjahr, und danach kommt quasi die Tiefkühltruhe
der Entwicklung, die Latenzzeit (das ist die Zeit, während der das brave Kind in der Grundschule sitzt und für emsige ordentliche Hausaufgaben einen Fleiß-Stempel in Tier- oder Blütenform von der Lehrerin ins Heft gedrückt bekommt). Laut FREUD, also da irrte der Mann nun wirklich, war mit der Erledigung der ödipalen Phase (Kurzinhalt: Ödipus hin - Ödipus her - Hauptsache, du hast deinen Papa lieb) alles gelaufen, und sie war der krönende Abschluss der vorangehenden Phasen; diese sind mit oral und anal und vielleicht noch, wenn man die Theorien seiner Nachfolger dazurechnet, mit guten und bösen Brüsten und schizoider und paranoider Position rasch abgehandelt und dann, wenn der Mensch als Knirps in die Grundschule eintritt, schon längst persönlichkeitsformender Schnee von gestern. Fortschrittliche spätere Schüler des großen Siegmund haben dann aber doch auch die Pubertät als ganz wichtig erkannt, und später sogar noch die Adoleszenz, also die Phase, bei der das Kind aus dem Gröbsten raus ist und plötzlich den fassungslos dankbaren Eltern ungeahnte angenehme Seiten zeigt – während der Adoleszenz kann sich noch einiges zum Guten wenden, einige Autoren sprechen gar von der zweiten Chance ! Doch alles in allem sollte man sich trotz dieser gelungenen updates der FREUD´schen Theorien klar machen, dass die überwiegende Mehrheit der Leute ja auch nach der Adoleszenz noch lebt und strebt. Was das Herz-Schmerz-Format angeht, habe ich im Laufe meiner therapeutischen und sonstigen restlichen Lebenserfahrung lernen müssen, dass die Liebesgeschichten der girlies, die schrecklichen Seelenqualen 18jähriger Gymnasiasten, die existenzvernichtende Frage, ob Lasse jetzt mit der Erzrivalin „geht“ oder nicht, und ob sich die arrogante Kuh namens Tanja mit einer empörenden neuen Oberweite (Abigeschenk der Großeltern) endgültig von ihren Freundinnen absetzt …. nur noch durch eines übertroffen werden können: durch die Liebesgeschichten der oldies. Da hast du das ganze, aufgrund eines gewissen Zeitdrucks in gedrängter Version verdichtet aufgearbeitet, sozusagen als Extrakt im XXL - Format vorliegen. Wenn Du meinst, die tragischen lovestories der Jungen seien nicht zu toppen, dann schau´ dich mal in der geriatrischen Abteilung um ! Denn erst dann weißt du, was das wirklich heißt: Liebesleid bis der Arzt kommt, so ödipal, dass du denkst, diese Phase sei gerade erst am Laufen.

Den Fall von Monika P. will ich dir nicht ersparen, obwohl ich das könnte; aber er ist so lehrreich, das er durchaus als abschreckendes Anschauungsmaterial taugen würde. Monika war eine attraktive Mitte 60jährige, vom Leben und ihrem spielhöllenabhängigen, gottlob lange toten, Mann gebeutelte Frau, die sich nach mehreren Therapien, wiederholten Depressionen mit Suizidgedanken, einer Scheidung und einer zweiten Ausbildung als Optikerin wieder auf ins Leben gemacht hatte. Da erbte sie, aufgrund des kurz nacheinander eintreffenden Todes ihrer beiden Elternteile, unerwartet ein riesiges Stück Land, mit Obstbäumen, ackerbautauglichen Geräten und vollgestopfter Scheune. Monika wollte das ganze nicht gleich verkaufen, da die Grundstückspreise zu dieser Zeit nicht so üppig ausfielen, und beschloss daher, diese Erbaktion systematisch und maximal gewinnbringend durchzuziehen. Dafür benötigte sie Hilfe. Wie es so ist, bot sich just in dieser Zeit ein graumelierter Herr an, der sich zufälligerweise als gelernter Diplomkaufmann entpuppte und auch sonst lebenspraktisch veranlagt war. Während Monika tiefenpsychologisch erklärbare Pickel am ganzen Körper bekam, wenn sie sich dem Ort ihrer Kindheit, der über 200 km entfernt war, zum halbjährlichen Wiesenmähen näherte, war Uwe K., seit 12 Jahren in Früh-, aber durchaus stattlich bemessener Rente befindlich (Rücken), ihr zuverlässig wie sein beigefarbener Mercedes Diesel behilflich, er übernahm die Autofahrt und den Rasenrückschnitt gleich dazu. Im Gegenzug verlangte er ein bisschen charmantes Zusammensein, und dass sie ihn begleitete, wenn er zu Festen in seinem Bekanntenkreis eingeladen war, das Wochenende am Baggersee genießen oder in Urlaub fahren wollte. Doch das war das Problem, denn Monika P. wünschte sich eher gemeinsame Fernsehabende; wir stießen darauf, dass sie nicht gerne rausging, weil da draußen in der Welt noch andere Frauen waren, und auch, wenn die meisten Rivalinnen, über die sie sprach, schon auf die 70 zugingen, war klar, dass es um´ s ewig gleiche ging: Zickenkrieg; das waren „Tussen“, Frauen, die es „im Leben viel besser gehabt hatten“, und die sich „über oberflächliche Dinge unterhielten“, die „zuviel Schmuck“ trugen, ein „unsympathisches Selbstbewusstsein hatten“, Monika „komisch musterten“, und überhaupt, die falsche Kragenweite hatten, und an eben diesen Kragen ging es dem Steuererklärungen, Ackergrund und regnerische Autofahrten abarbeitenden Uwe K. bald, indem Monika sich zunächst den Sex und dann auch noch das gemeinsame Ausgehen verbat. Als Freund wollte sie ihn allerdings nicht verlieren, ich erinnere nur an den Rasenrückschnitt und avisierten Grundstücksverkauf. Die Sache wird allerdings noch getoppt von der Tatsache, dass Monika schier ausrastete, als er sich eine andere zulegte; in diesem Alter geht das oft ratz-fatz, und glaub´ bloß nicht,  bei der internetunterstützten Partnersuche und dem Chatten in dubiosen rooms hätten die Jungen das Monopol. Monika, außer mit ihrer Eigentumswohnung und ihrer Alterssicherung vor allem mit dem Internet beschäftigt, surfte flatratemäßig, und in diesem Zusammenhang war sie stündlich auf dem Laufenden, wer wen bei facebook gesperrt hatte und warum das vermutlich so war. So versäumte sie ihr kürzer werdendes Leben. Als unser Uwe schließlich ein selfie  mit seiner Neuen schoss, während er auf dem Deck eines Kreuzfahrtschiffes stand, war´s auf dem dramaturgischen Höhepunkt. Monika schimpfte, wie doof sie Kreuzfahrten fände und dass dort nur noch Ziegen, Zicken und Zasternerds anzutreffen seien, und dass sie, Monika, es schon richtig entschieden hatte, nie auf so einer wogenden Seniorenschaukel mitzufahren, entsprechende tiefsitzende männliche Sehnsüchte nach gemeinsamer Erholung und Tapetenwechsel hatte sie gegenüber Uwe immer abgeschmettert.

Aber noch überaus interessanter finde ich Altershochzeiten. Zwischen Wahnsinn und Methode, dem ökologisch einwandfreien Verwerten von second-hand-Renten und herzlicher Liebe gelagert, durchziehen sie immer häufiger die Terminkalender der Standesämter. Da spielen sich Dramen ab, die der normale Hausmeister, Biolehrer oder Elektronikverkäufer sich nicht träumen ließe. Einmal wurde ich Zeugin einer sage und schreibe 7 mal innerhalb von nur 9 Tagen ab- und zugesagten Hochzeit. Mal hielt man es nicht mehr miteinander aus, mal nur noch, wenn geheiratet würde. Paranoia („Ich verliere meine Freiheit!!!“) gestandener 82jähriger ehemaliger Fabrikdirektoren wechselte sich ab mit geradezu jungmädchenhaften Tränenaus-brüchen 70jähriger Exhotelinhaberinnen, die mehrfache Mütter und Großmütter waren („Ich will endlich deinen Namen tragen !!!“). Wenn solche späten Liebespaare im anberaumten Partnergespräch vor dir sitzen wie Philemon und Baucis, haben sie halt neben der Aura des weisen alten Pärchens auch noch diese ganz jugendliche Seite, von der FREUD meinte, sie schließe die frühkindliche Entwicklung im Grunde ab: wie zwei Fünfjährige, manchmal hilflos, enorm kränkbar und voneinander abhängig, segeln sie als Späthysteriker durch den Liebes- und Leidenshimmel und manchmal sogar durch psychiatrische Stationen. 

Ich habe nun erst vollständig begriffen, warum meine Lieblingssendung in den frühen 90ern die Golden girls waren: das war nur gespielt, und auch der naive Zuschauer wusste es eigentlich die ganze Zeit, so dass er sich genüsslich den Geschichten, Krächen und Auswüchsen dieser alternden sympathischen Weiber hingeben konnte, ohne wirklich mitleiden zu müssen. Rose, Blanche, Dorothy und mein allerliebstes golden girl, die aus Sizilien eingewanderte bockelharte Sophia waren meine absoluten Favoriten. Vermutlich war ich ihnen so dankbar, weil es nur Filmfiguren waren und sie schenkten einem jede Woche 25 Minuten lang die Illusion, sowas gäbe es nur in sitcoms aus Amerika. 

In später reuevoller Anerkennung seiner Verdienste muss ich einräumen, dass FREUD in gewisser Weise Recht hatte: die ödipalen Qualen scheinen tatsächlich die seelische Entwicklung abzuschließen, nur lag er etwas daneben mit seiner ursprünglichen Altersangabe. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Weitsicht!









Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen