f Psychogeplauder: Doppelsäulen (Paardynamik II)

Donnerstag, 11. Juni 2015

Doppelsäulen (Paardynamik II)


Detailansicht  des  Elisabethentors  (1615)


Gottlob gibt es Traumpaare. An denen kann man sich aufbauen, wenn einem der Glaube an die Gnade des paarweisen Lebensstils abhanden zu kommen droht. Die Eheschließung aufgrund von Liebe ist ja historisch betrachtet eher eine neumodische Torheit;
vor dem 18. Jahrhundert war sowas unbekannt und keiner vermisste es. Allerdings gab es glückliche Zufälle; oder war da doch die Kunst gemeinsamer Beziehungspflege mit im Spiele ? Man denke nur etwa an Elisabeth Stuart, die artig einer arrangierten Ehe mit Friedrich V. zustimmte, an der die gesamte europäische Allianz Interesse hatte, bloß Elisabeth nicht wirklich. Doch welch´ ein Traumtyp wurde ihr dann schließlich zugespielt:  der Kuppel-Kerl hatte nicht nur Grips, sprach französisch wie ein Weltmeister und verfügte über Manieren. Nein, es kam noch doller, er muss etwas ausgestrahlt haben, so dass sie sich total in ihn verliebte. Und, jetzt das Sahnehäubchen, er sich in sie! Sie waren das Traumpaar  Europas und blieben es - mit 12 oder 13 Kindern gesegnet, und die einzigen Skandale waren die kreativen Einfälle, mit denen sie sich ihre Liebe zeigten. Mit so einer Story kommen weder Schlaflos in Seattle oder Message in a Bottle oder Heiße Höschen finden ihre Wege mit. Denn in jenen Werken hantieren ja eigentlich bloß Schauspieler, also mit echter Liebe ist es da nicht wirklich weit her.

Offen gesprochen bin ich mir unsicher, wieviel die Psychotherapie zur wahren Liebe oder, besser gesagt, zu deren Erhalt, beitragen kann; natürlich gibt es Paartherapien, Paarberatungen, Paargespräche, deren Ausgangspunkt eine Beziehung sein muss, in der es noch etwas zu retten gibt und beide ernsthaft bemüht sind, sich um dieses Gut zu bemühen.  Wie ich mir habe sagen lassen, kommen die Paare häufig zu spät, so dass die Hauptarbeit des Therapeuten sich dann darin erschöpft, das Grauen mit anzusehen und Ratschläge zu geben, wie die beiden besser damit klarkommen können. Darüberhinaus gibt es natürlich auch noch eine unerschöpfliche Vielfalt sehr guter (im Vertrauen: auch weniger guter) Bücher zum Thema. Und es gibt Einzeltherapien, in denen Patient und Therapeut sich um die Liebe oder das, was man darunter versteht, drehen; in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts begann man bei der Psychotherapie sogar die sogenannte Liebes- und Beziehungsfähigkeit als Sinn und Zweck schlechthin zu fokussieren (das fällt leider aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen heraus, denn gebrochene Herzen werden im Gegensatz zu gebrochenen Beinen nicht als zu behütende Sorgenkinder der Solidar-gemeinschaft betrachtet). Aber selbst wenn man als Therapeut ein Liebesspezialist wäre und wenn es unzählige Liebesspezialisten gäbe und unzählige Paare solche Spezialisten aufsuchen würden - ich befürchte, es würde doch nicht reichen, um zur Vermehrung glücklicher Liebesbeziehungen auf unserem Heimatplaneten beizutragen. Ist es letztlich dann doch der Zufall, der entscheidet? Die amerikanische Sozialpsychologie hat herausgefunden, dass uns statistisch im Laufe unseres Lebens zwischen zwei und drei Mal jemand begegnet, der ein idealer Partner für uns wäre. Es war, genauer gesagt, eine Zahl mit zwei- komma - irgendwas, aber wer möchte schon gerne nur Ober- oder Unterteile oder, noch schlimmer, irgendwelche vertikal geteilten Hälften von jemandem als Partner haben. Dreierkonstellationen haben sich jedenfalls in unserem Kulturkreis nicht als glücks-, sondern eher als therapiebedarfsteigernd entpuppt. 

Die meisten Patienten kommen irgendwann, unabhängig vom Anlass ihres Kommens und der Art ihrer Beschwerden, auf ihre partnerschaftliche Beziehung zu sprechen. Tun sie es nicht, ist das übrigens erst recht neurosenverdächtig. In den kollegialen Gruppen zur Besprechung schwieriger Therapien ist mir aufgefallen, dass es da gewisse Standards psychotherapeutischer Interven-tionsstrategien gibt. Um es mal vorsichtig auszudrücken. Handelt es sich um weibliche Patienten, geht das raunende Augenmerk der Kollegenschaft sofort auf die Frage, ob sie sich zuviel anpassen und zuviel Kompromisse machen und dass sie sich mehr durchsetzen sollten und dass sie sich ja vielleicht unbewusst trennen wollen. Handelt es sich um männliche Patienten, kommen am Schnürchen gezogene Überlegungen auf, dass sich diese zuwenig durchsetzen, weil sie zu abhängig von ihrer eigenen Mutter sind und dass sie vermutlich zuviele Kompromisse machen. Also, bei Männlein und Weiblein irgendwie entfernt ähnlich. Das sollte doch die Vielfältigkeits- und Differenzierungsfanatiker unter den Psychotherapeuten auf den reformatorischen Plan rufen !
Sollte neben dem Glück und neben der neurotischen Überanpassung auch die eigene Anstrengung, also die liebevolle Pflege einer Beziehung, eine Rolle spielen, dann wäre ich total dafür, diesen vielversprechenden Ansatz neben den stereotypen psychotherapeutischen Gebetsmühlen mit dem Text: Denken sie mehr an sich! kreativ auszubauen. Allerdings: eine pompöse, minutiös und liebevoll geplante Hochzeitsfeier dürfte da schwerlich reichen, stellt sie doch nur den Beginn einer Beziehung und nicht ihren Inhalt dar. Letztere Erkenntnis scheint so manchem abhanden zu kommen, betrachtet man die zunehmende Anzahl der personal wedding planner, wohingegen berufsmäßige matrimonial planner sich auffallend bedeckt im Hintergrund halten.

Elisabeth und Friedrich jedenfalls dürften sich nicht von Wer-denkt-wieviel-an-sich- Gedankengängen haben leiten lassen. Sie hatten noch einen schier antik anmutenden Sinn für wahre Erotik. Und umwarben sich ordentlich, so dass für die Frage, ob man zuviele Kompromisse mache, gar nicht viel Zeit verblieb. Denn man war beschäftigt, sich für den anderen herzurichten, dem Gatten Kinder oder der Gattin, der Mär nach in einer einzigen Nacht fertiggestellt, einen extra Torbogen mit rechts und links flankierenden doppelten Säulen (welch´ reizende Pärchenmetapher!) als Geburtstagsüberraschung zu schenken oder auch gemeinsam spazierengehend zu lachen und zu reden. Nicht die schlechteste Art, der Kunst des sogenannten Zwiegesprächs zu frönen. Früher nannte man das nicht „therapeutisch“, sondern es gehörte dazu.

Nun möchte ich nicht in den Verdacht geraten, das Pärchen zu idealisieren. Elisabeth soll sich wohl doch einmal bei ihrem Göttergatten beklagt haben (sic!), dass die schmucklose Seite des nach ihr benannten Bogens immer diejenige sei, die sie selbst vom Gemache aus zuerst sehe, während die Besucher, die von außen kämen, die reichlich mit kleinen eingemeißelten Tierchen (… !) verzierte Schokoladenseite präsentiert bekämen. Friedrich hat darauf sicherlich gut zu antworten gewusst. Ich finde, wer vor Dritten nicht stolz sein möchte auf seinen Partner und kein bisschen mit ihm anzugeben versucht ist, der hat womöglich den falschen erwählt.






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