Fernsehbildschirm
am Freitag
abend gegen halb
elf, kurz nach
Bekanntgabe
der Publikumsvoten
|
Eigentlich hatte ich vorgehabt, das Format ans Fernsehen zu verkaufen. So eine Art "Big Brother" auf intellektuell gebürstet. Ich hatte mir trotzdem, also trotz intellektuell, dafür als Wunschkäufer den Sender RTL erträumt.
Wegen der Kohle, schließlich kannst du von einem Psychoblog allein nicht leben. Zumal ich ja auch irgendwann in Rente gehen will und dann habe ich keine Zeit mehr für den Blog, wegen der ganzen Rheumaspezialisten- und Kaffeehausbesuche. Nicht einmal Produktplatzierungen würden irgendeinen kommerziell interessanten Sinn ergeben (werbe ich am rechten Rand, also jetzt räumlich gesehen, für Psychopharmaka, mache ich mich unglaubwürdig und einen sponserwilligen Pharmariesen würde ich sowieso nicht finden, und werbe ich für beschichtete Pfannen oder Zalando, ist das identitätsmäßig irgendwie schwer zu vermitteln, da ich weder beim Bloggen koche noch während des Kochens High-Heels trage). Aber ich glaube, wir kommen vom Thema ab. RTL, also das gibt wirklich Kohle satt, wegen der Quoten dort. Doch die Schmalspurvisionäre von RTL zweifelten an der Massentauglichkeit meines Konzepts. Manche Hirne sind zu klein, um großen Ideen neuronale Verknüpfungen zu ebnen. So kommt´s, dass du, lieber Leser, nun schon mal vorab meine RAUSGEWÄHLT ! – Grundidee auf dich wirken lassen kannst. Den director´s cut sozusagen. Wer weiß, wenn endlich die erste von unzähligen RAUSGEWÄHLT ! - Episoden über die Bildschirme flimmert, wieviele Szenen die Pragmatikkönige von der RTL-Regie dann bereits im Vorfeld rausgeschnitten haben. Da musst du ja bestimmt, als newcomer, um ins Geschäft einzusteigen, einige Kröten schlucken. Anpassungen des Sendeformats wegen Überlänge, wegen zu vieler gefallener Fremdwörter oder weil die Dekolletés der weiblichen Teilnehmerinnen zu wenig hergeben. Doch kommen wir endlich zur Sache.
Die erste Big Brother - Staffel, die 2000 in Deutschland lief, war vielversprechend und es kamen dauernd neue. 2005 gab es schon die sechste Staffel, die sollte eigentlich endlos sein, aber sie musste dann doch unerwarteterweise eingestellt werden, weil die Einschaltquoten sanken. Seit kurzem versucht sich der Sender der Herzen mit einem Big-Brother-Revival, aber meine Prognose ist: nach unten hängender Daumen. Mit meiner Therapeuten-Variante wäre das nicht passiert. Selbst coole chirurgische Oberärzte mit Westernheldendiplom sehen in den dritten Fernsehprogrammen Freitag nachts um halb eins zur Entspannung irgendwelche Psychoberatungssendungen oder betrachten sich zusammen mit ihrer Frau bei einer Flasche gut gekühltem Chablis Notfalltherapien per Telefon, bei denen ein gut und zugleich erfahren (keine einfache Kombi) aussehender Psychologe in einem dunkelgrünen Poloshirt telefonisch das Schlimmste für´s Wochenende in Deutschland verhütet. Und einen an der Waffel haben ja im Grunde alle Zuschauer, so dass es naheliegt, ihnen zu helfen, indem sie dieses Gefühl einigen merkwürdigen miteinander diskutierenden Therapeuten unterjubeln, die um die Gunst des Fernsehpublikums buhlen. Natürlich hat mein Format aus den Fehlern des Klassikers gelernt: bei mir gibt es freie Zeiten für die Privatsphäre der Fernsehtherapeuten, und ihre Treffen finden nur einmal die Woche (okay, wenn´s ein Straßenfeger wird, eventuell auch an allen Werktagen) für jeweils zwei Stunden statt. Mit Werbepausen. Und es wird auch keiner unter Druck gesetzt, sondern wer den Stuhlkreis (mit dem Begriff „Container“ arbeitet mein Team nicht) verlassen muss, bekommt das von einer sehr netten, in Trauerarbeit geschulten Moderatorin mitgeteilt am Ende jedes Vierteljahres, wenn im RAUSGEWÄHLT ! - Quartalsspecial die live-Verkündigung der Publikumsvoten abgeschlossen ist. Dadurch, dass alle Akteure zwischen den einzelnen Live-Sendeterminen ihrer ganz normalen Praxistätigkeit als Psychotherapeuten nachgehen, gibt es auch kein finanzielles oder sonstwie humanes Desaster, wenn jemand schließlich den Stuhlkreis verlassen muss. Er hat während der gesamten Zeit der Rausgewählt-Staffel neben seinen Sendungshonoraren ganz normal weiterverdient, also, vielleicht mit kleinen Abstrichen wegen der Vorbereitungen (Studium aktueller Psychobücher, professionelle Typberatung, um sympathischer rüberzukommen, kurzfristige erkältungsbedingte Praxisausfälle infolge der gnadenlos eingestellten Klimaanlage im Aufnahmestudio). Unkosten seitens der Produktionsgesellschaft, das wären dann ich plus einer meiner Neffen, der sich mit dem ganzen Technikkram auskennt, gäbe es wenig, so dass die komplette Sachkompetenz des Teams ins psychologisch geschickte Casting psychotherapeutischer Persönlichkeiten gesteckt werden kann. Nun wirst du richtigerweise einwenden, dass alle Psychotherapeuten von Natur aus markante Persönlichkeiten sind; aber nur diejenigen, die sich deutlich mit ihrer Methode oder auch ihrer Art zu reden oder wegen ihrer durch die Kameraführung geschickt eingefangenen seltsamen Macken dem Zuschauer einprägen, nicht zu vergessen mit Hilfe nach und nach dem Publikum verdeutlichter packender persönlicher Lebensgeschichten, so daß sie sich trennscharf von ihrem potentiellen späteren Stuhlkreis-Sitznachbarn unterscheiden lassen, haben eine Chance, in die Finalrunde zu kommen, welche als RAUSGEWÄHLT ! – Staffelintro schon nach kurzer Zeit einen eigenständigen Kultstatus erreicht haben und zwei Wochen vor Beginn der jeweils neuen Staffel in Doppellänge ausgestrahlt werden wird.
Für die Besetzung des ersten Staffelintro´s habe ich mir natürlich schon so meine Gedanken gemacht. Sieben Therapeuten wegen der sieben Zwerge, in dieser untergründigen Symbolik erhält der ahnungslose Zuschauer die identifikatorische Traumrolle des schönen und völlig wehrlosen viel zu lieben Schneewittchens zugeschoben, welchem von der bösen Umwelt übel mitgespielt wird und das auf gemütswarmes Wohlwollen und clevere Finesse der hemmungslos ihm verfallenen Zwerge angewiesen ist, um gerettet zu werden. Die teilnehmenden Zwerge sind zwischen 28 und 72 Jahre alt, und sie sollen teilweise den klassischen (Profil: böse Schulmedizin, Ausfallhonorarjunkie, z.B. verkörpert im total engstirnigen kalten Analytiker), teilweise weniger klassischen (Profil: Nepper, Schlepper, Bauernfänger) Therapiemethoden anhängen. Die insgesamt 50 Staffelfolgen pro Jahr (die Weihnachts- und die Osterwoche sind sendefrei) werden in einem exakt quadratisch geschnittenen, betont puristisch gehaltenen Raum (Intellektualitätsmetapher) abgedreht, in welchem pro ausgestrahlter Sendung ein „echter“ Behandlungsfall lebendig und streitbar diskutiert wird. (Der Fall ist zwar eigentlich fiktiv, aber das Publikum vergisst das aufgrund der sich rasch einstellenden Faszination nach wenigen Minuten und manche Fälle tauchen sogar wenige Tage später als echte Menschen in der Bildzeitung auf, um sich dort angeblich zu outen). Die Teilnehmer dürfen sich gegenseitig unterbrechen, also so wie in der wirklichen Therapiesitzung, und sie dürfen auch kurz raus, z.B. um sich nachzuschminken oder zum Toilettengang. Meistens ein gefundenes Fressen für die übrigen, da dann über das abwesende Stuhlkreismitglied kurz abgelästert werden kann. Was den Zuschauer freut, denn was dann über den jeweiligen Therapeuten gesagt wird, denkt sich der Zuschauer schon seit einer halben Stunde. Die Websites der Therapeuten verzeichnen enormen Zustrom und einige Tageszeitungen versuchen daran zu berechnen, wie die nächste Publikumswahl ausfallen wird. Jedoch führt die Zahl der likes in die Irre, weil es eine enorme Dunkelziffer gibt von Leuten, die zwar völlig auf jede RAUSGEWÄHLT ! – Folge abfahren und deswegen sogar versuchen, Dienstpläne und Schichten zu tauschen, es aber nie zugeben würden, jede Woche vorm Fernsehapparat wegen irgendwelcher Psychoheinies schnappatmig zu werden.
Um dich bezüglich des Starring noch ein bisschen auf die Folter zu spannen, aber auch, weil ich die Infos streuen möchte, um es illegalen Nachahmern im russisch-baltischen Sprachraum etwas schwerer zu machen, werden erst im nächsten Post in exakt 21 Tagen die sieben Charaktere der ersten RAUSGEWÄHLT ! - Finalrunde vorgestellt. Eines zeichnet sich bereits ab: einfach wird es nicht sein, sich dafür zu bewerben. Ich habe schon jetzt soviele Anfragen, dass die für zweieinhalb Jahre Dauercasting ausreichen. So was spricht sich halt rum.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen