f Psychogeplauder: Potion magique

Samstag, 29. April 2017

Potion magique




Miraculix  entwickelt
einen  Behandlungsplan



Die ersten Jahre meiner therapeutischen Arbeit bescherten mir eine merkwürdige Entdeckung: in der Phase des Kennenlernens, während der sogenannten Probegespräche,
ergab es sich immer wieder, dass ein Patient unvermittelt fragte: „Wann fängt die Therapie denn richtig an?“ Die Frage erschien mir berechtigt, denn unser Dialog lief ja bisher unter dem Etikett „Probe“ und ein Antrag an die Krankenkasse zur Kostenübernahme für 24, 60 oder gar 160 weitere Therapiesitzungen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestellt. Aber so war die Frage gar nicht gemeint, sondern sie zielte auf den Inhalt der Gespräche; der Patient wartete offenbar auf etwas ganz anders Geartetes, auf den lange ersehnten Startschuss zur Veränderung, dem viele weitere spektakuläre Etappenevents folgen würden. Da war Druck drauf. Wenn ich also auf die Frage antwortete, „wir sind schon mittendrin!“, erntete ich bestenfalls Erstaunen und im leider häufigeren, schlechten Falle eine nur mühsam versteckte Enttäuschung. Das also sollte Therapie sein: nur Reden. Es sei ja nicht nur reden, pflegte ich dann einzuwenden, es gehe um über sich nachdenken, formulieren, was los ist, Gefühlen auf den Grund gehen … das half dem Patienten aber nicht weiter, er durchlief eine Frustrationswelle, weil er sich eher so etwas erhofft hatte, wie wenn ihm ein metaphysischer Zaubertrank einverleibt wird. Entsprechend blieben die Fragen lange bestehen: „haben sie vielleicht noch einen Tipp“, oder „gibt es dazu leicht lesbare Literatur“ oder auch „ich versteh´ es ja, aber könnten sie mir den Kniff verraten, wie ich das jetzt umsetze?“ Die negativen Vorurteile gegenüber den Psychoklempnern – nämlich dass man da einer Art Hirnwäsche unterzogen würde, nicht immer frei von sektenartigen Weltanschauungen und manipulativen Psychotricks – schienen mir zugleich auch den Kern der positiven Erwartungen zu bilden, nämlich dass man mit irgendwelchen Supersätzen persönlichkeitsmäßig durchgecoacht, selbstwertmäßig aufgepimpt und hinsichtlich seiner Gemütsverfassung hochgezogen würde. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Die Zaubermeisterin in mir war herausgefordert, wollte ich wenigstens halbwegs so etwas wie psychotherapeutischen Legendenstatus erreichen. 


Wenn ich Dir im folgenden einige Geheimnisse einer erfahrenen Seelenhexe anvertraue, bedenke stets, dass es sich ja hierbei im Grunde um geistiges Eigentum handelt, und ein gewisser Obulus – gerne als hübsch gebundener frischer Blumenstrauß oder auch in Form anderer Naturalien (Nougatpralinen aus der Schweiz) – bei eigener Nutzung meiner psychologischen Zauberratschläge durchaus angebracht wäre. Und hier kannst du eine kleine Auswahl der Geheimnisse lesen, sozusagen von Druidenmund zu Druidenohr:

I Streue Salz in die Ecken Deines Therapieraumes! Das vertreibt übles Karma und reinigt.

II  Wenn Du müde bist, interveniere mit einer Mischung aus Affektklarifizierung und Affektidentifizierung und lasse den Patienten noch mal genauer darlegen, wie er das eben gemeint hat, und pass´diesmal auf.

III  Wenn der Patient sagt, „ich kann das nicht“, verbessere ihn stets und sage in Anwendung einer hypnotherapeutischen Strategie „ich konnte das bisher nicht“.

IV  Berichtet dir jemand, er habe Ärger mit seiner Putz- oder auch Ehefrau (wahlweise mit einem übel schlampigen WG-Mitbewohner), dann hole tief Luft, rede ihn mit vollem Namen an und verkünde: „Bei den Buddhisten ist das Wegmachen des eigenen Drecks mit eigener Hand ein heiliger Akt!“ Forme dabei, während du sprichst, mit dem rechten Zeigefinger und dem rechten Daumen einen kleinen Kreis.

V  Ermutige deinen Patienten und sage mehrmals pro Sitzung, „ich traue ihnen das zu!“ (Ausnahme geplanter Banküberfall).

VI  Berichtet dein Patient von derzeitigen häuslichen Aufräumarbeiten, lege deinen Kopf leicht schräg, fixiere ihn wissend, und sage: „Entrümpeln reinigt die Seele!“ 

VII Handelt es sich um eine sehr übergewichtige Frau, die vor, während und nach der Sitzung noch mal ganz schnell zur Toilette gehen muss, dann wende die Technik der shared attention an und verkünde ihr: „Wer loslässt, gewinnt!“

VIII Schweigt jemand lange, dann sage unter Auslotung konfrontativer Möglichkeiten: „Lauter, bitte!“

IX  Ist der Patient verspätet, weil in den falschen Bus eingestiegen, dann frage ihn unter Anwendung einer triebpsychologischen Interpretationsstragie: „Und wo wollten sie hin?“

X  Trage viel Weiß! Die Farbe strahlt Reinheit und eine schier religiöse Basisautorität aus, fördert somit eine positive und leicht idealisierende Übertragungsbereitschaft. Lasse aus geschickt abgedeckten kleinen Duftlämpchen Vanille, Tonka und Moschus strömen. Spare nicht beim Einkauf. Minderwertige Qualitäten verursachen Kopfweh. Mit solch einfachen Utensilien erreichst du, dass du weniger reden musst und der Therapieraum dir auf feinstoffliche Weise einen guten Teil deiner Arbeit abnimmt.

XI  Träumt ein Patient von einer alten Frau  - gegebenenfalls auch von einem alten Mann – der er den Garaus gemacht habe, dann deute drauflos und erzähle ihm ohne mit der Wimper zu zucken, du seist damit gemeint und er befinde sich auf dem richtigen Weg.

XII  Klagt ein junger Mann darüber, dass er dauernd unglücklich verliebt sei, nutze die Erkenntnisse der Autosystemhypnose und empfehle ihm das Mantra „auch Tarzan fing klein an!“ morgens vorm Spiegel beim Zähneputzen.

XIII   Klagt ein Patient in jeder Sitzung auf´s Neue „sie können sich das ja gar nicht vorstellen!“, dann antworte ihm in gegenüberstellender Haltung zur Förderung der Objekt-Subjekt-Differenzierung: „Buddha sagt: Du sollst deine Beobachtungen selbst anstellen!“

Natürlich gibt es Ausnahmesituationen, die kunstvollere Maßnahmen erfordern: wenn also jemand nach einem Glas Wasser bittet, biete dich vordergründig als Hilfs-Ich an und gehe in die Teeküche, träufele jedoch etwas Farbloses hinein, bevor du es bringst. 

Nun ja, bei aller Freude, die dich beschleicht in Anbetracht dieser Schätze, bedenke bitte deren Dosierung, dies vor allem, wenn du ein blutiger Anfänger im Umgang mit derlei Ingredienzien bist; denn du musst wissen, als Nebenwirkung bei Überdosis droht das Aufgeblasenwerden wie ein Ballon und das anschließende Schrumpfen auf Zwerggröße. weswegen bei Politikern die Anwendung solcher Tricks in den späten 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ganz verboten wurde.

Und …. denk´ bitte an die Blumen.





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