Abgewandter
Buddha, als Zeichen
seines stillen Protests
gegen den geistigen Missbrauch seiner Weisheit
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Geht man mit offenen Augen und offenem Herzen durch die Stadt, was Buddha in jedem Falle begrüßen würde, dann kann man ihm auf Schritt und Tritt begegnen. Er döst in Schaufenstern
neben Louis – Vuitton – Kleinlederwaren für 280 Euro aufwärts, er steht Spalier in Fitnessstudios und in den meisten Kosmetiksalons, beruhigt Gemüter durch stille, zumeist sitzende, Präsenz auf Schreibtischen und verdeutlicht durch sein Antlitz die Wirkung aufzubrühender Teebeutel; seine Brüder haben Einzug gehalten in die Foyers angesagter Wellness - Hotels, in lichtdurchflutete Büros von Immobilienmaklern und auf den Beckenrand öffentlicher Bade- und Saunalandschaften. Seine Cousins und Cousinen tummeln sich in Arztpraxen, zumeist zurückhaltend platziert, da sich dem obersten Gebot der Werteneutralität beugen müssend. Sie prangen als Ansichtskarte in verschwenderischer Farbenpracht in Drehständern vor der Bahnhofs-buchhandlung. Manchmal dürfen Buddhas Verwandte aber auch ganz groß rauskommen, als Phototapete oder XXL-Poster. Ich habe sie neuerdings auch in Vorgärten gesichtet, das müssen allerdings Buddhamutanten gewesen sein, die mit Gartenzwergen gekreuzt worden sind und einen befriedenden Einfluss auf etwaige Maulwürfe und Besucher verströmen sollen.
Es geht ums Erwachen, und da die westliche Welt sich hilflos fühlte und die sonntäglichen Gottesdienste so hausbacken waren, gleichzeitig eine große Ernüchterungswelle bezüglich der Möglichkeiten der Psychotherapie und des materiellen Wohlstands das Abendland überzog, gibt es seit etwa zwei Jahrzehnten eine rasante Vermehrung jener fernöstlichen Leihgaben, in Bronze, Holz, Plastik oder Speckstein, die uns helfen sollen, Gelassenheit und Transzendenz zu erreichen. Neulich sagte eine Teilnehmerin einer Supervisionsgruppe beim Bericht über eine besonders schwierige Patientin, die ihr alles abverlangte, vor allem Geduld: „Jetzt verstehe ich, warum in so vielen Psychotherapiepraxen Buddhas stehen!“. Und so kommt es, dass sie dort nicht nur schweigsam herumstehen, hängen, sitzen oder liegen; sie haben sich ihren leisen, bedächtigen Weg in die Alltagskommunikation und, da von dieser ohnehin zuweilen wenig unterscheidbar, in die psychotherapeutische Interventionstechnik gebahnt. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass Redewendungen wie lass´ es zu / lass´ es los / mal gucken, was kommt / geh´ deinen Weg / bin gerade in einem Prozess ursprünglich von Lernpsychologen oder Psychoanalytikern kreiert wurde.
Buddhas Rat ist weise, zumeist einfach ausgedrückt und er hat die Eigenart, dem Ratsuchenden oft etwas Unerwartetes zu antworten. Nicht nur der Ratsuchende profitiert. Auch der Ratende, der ja Buddha irdisch-grobstofflich im Moment der Beratung ersetzen muss (die meisten Buddhas sind stumm), erstrahlt im Licht der Weisheit und wirkt irgendwie gut und unantastbar. Wir haben es hier, ähnlich wie bei Grünwählern, Psychotherapeuten, Bioladenkonsumenten, Buddhaketten-trägern und Tierschützern anscheinend mit grundguten Menschen zu tun, die anders sind. Nach buddhistischer Auffassung sollen wir anderen Menschen nutzen. Deshalb stehen folgerichtig in vielen Edelboutiquen Buddhaskulpturen, denn es sollen die Gegenstände, die dort verkauft werden, dem Käufer helfen, sich zu erweitern. Die Überwindung der Äußerlichkeit und Eitelkeit ist ein weiteres buddhistisches Prinzip, welches in abgewandelter Form, quasi als Gegenpol wie beim Yin-Yang-Prinzip, sich in Kosmetikkabinen wieder findet, wo es, wie jeder halbwegs Wissende erkennt, um Make-Up-Übermalung und zugleich um Faltenunterspritzung gehen soll. Der Überwindung des Egos dient die Plazierung von Buddhas in Luxusimmobilen-Filialen, denn da gehen diejenigen Menschen hin, die ihr Ego an der Eingangstüre abgeben können; dort hängt es mit den Burberry-Trenchcoats meistens herum und hat Pause, während sich das Ego ihrer Berater aufbläht, was einer guten Tat entspricht, denn alle Wesen sollen zufrieden sein. Wo du Buddha siehst, siehst du Stille. Buddha möchte zu dir kommen, er verströmt alles, was du brauchst. Vermutlich aufgrund dieser genialischen Fähigkeiten hält Buddha fast überall Einzug und wurde bereits in verschiedenen Kontinenten erfolgreich geklont. Er nimmt uns die Arbeit ab. Seine Präsenz rettet die Irdischen, so dass diese in Ruhe shoppen, sich schön machen lassen, Hotelgäste betreuen, burnout kriegen, Kreditverhandlungen führen und über die Alterssicherung nachdenken können. Er kümmert sich um den Rest.
Misstraue der Idylle. Ich glaube, er macht es gar nicht! Würden wir ihn um Rat fragen können, wohin wir seine zahllosen Artgenossen platzieren sollen: er würde wahrscheinlich, völlig überraschend, sagen: "Nehmt sie alle weg, denn ihr sollt erkennen, dass ihr selbst tätig werden müsst". Buddha hat längst gecheckt, dass wir uns mit ihm die schwierigen Übungen des Lebens ersparen wollen. Apropos sparen. Weiß jemand, wo es günstige Buddhas zu kaufen gibt? Ich möchte einen Post bebildern, damit er interessierte Leserschichten erreicht.
Was mach' ich nun bloß mit meinem Buddha auf meinem Schreibtisch. Ich meine, er hat zufrieden zugeschaut und zustimmend meine Arbeit begleitet, sogar gefördert.
AntwortenLöschenDieser Artikel stellt es in Frage und ich fühle mich ertappt.
Muss ich jetzt alles alleine schultern?
Lieber Leser. wenn Dein Buddha so gute Arbeit leistet, dann liegt das ja wohl auch daran, dass Du ihn gut begleitest und nicht nur umgekehrt. In solchen Fällen braucht der Buddha nur ab und zu eine Pause (damit er weiß, dass Du dich nicht zu sehr auf ihn verlässt), schicke ihn bei Gelegenheit mal ganz bewusst in Urlaub, vertrete ihn gut und empfange ihn dann freundlich wieder!
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