f Psychogeplauder: Impact

Mittwoch, 21. April 2021

Impact

 



Dieses Wort ist vor einigen Jahren hip geworden. Wenn eine Nachricht so richtig hot ist, wenn sie einschlägt wie eine Bombe oder der Pfeil ins Dartboard – dann spricht man wohl vom Impact, und dass der möglichst hoch sein solle. Außer in den Kommunikationswissenschaften hat aber auch die Psychoszene ihr Gefallen an diesem Anglizismus gefunden, vor allem wenn Auswirkungen einer Therapie bzw. eines Behandlungs-prozesses besonders besserwisserisch und eloquent dargelegt werden sollen. Früher nannte man das wohl den Effekt einer Therapie, und man unterschied – zumindest in Forschungskreisen – außerdem noch die efficiacy von der effectiveness,

letztere war das, was schließlich tatsächlich unter klinischen anstatt standardisierten, theoriegeleiteten Untersuchungsbedingungen herauskam beim Intervenieren.

In kollegialen Besprechungsgruppen verkörpert die Frage, welchen Zielsetzungen eine Therapie folgt, stets ein wichtiges und wenngleich wiederkehrendes, so doch erst zu einem bestimmten Zeitpunkt der Diskussion sich auftürmendes Thema. Es ist mir erst im Laufe der Jahre aufgefallen, dass die Frage nach der beabsichtigten Wirkung – meist mit verhalten-kritischem Unterton, fast nie vom Vortragenden selbst, sondern von einem zuhörenden Kollegen gestellt – eine dramatische Wendung der Gruppendynamik andeutet. War man bisher ganz auf der Suche nach dem psychoanalytischen Diagnosegral, wahlweise identifiziert mit dem sich bemühenden Therapeuten oder auch mit dem symptombelasteten Patienten, sowie befasst mit der emsigen Erkundung optimaler therapeutischer Zugangstechniken, so kündigte sich, oft plötzlich nach einem längeren Vorlauf schweren Abwägens und Erkenntnissuchens, dieses nächste Kapitel der Diskussion an. Die Gruppe ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass der Behandlungsprozess stockt, man schwamm wie im Mittelmeer, hin- und hergeschaukelt von Hypothesen zur Genese, aber auch von der Schwerkraft der dargestellten therapeutischen Beziehungsdynamik, die immer mehr Facetten erkennen ließ, einschließlich der sich konturierenden Übertragungs- und Gegenübertragungskämpfe. Dann kam sie, die betreffende Frage, dahingeschleudert wie ein verirrter Himmelskörper, der auf die bis dato nur scheinbar friedlich hypostasierende Gruppe trifft. „Sag´ mal, was will der Patient eigentlich von Dir?“ – „Was ist denn eigentlich das Ziel?“. Die Gruppe, von ihrer bisherigen Arbeit beginnend erschöpft, wechselte den Fokus auf die sogenannten motivationalen Faktoren, kehrte also, nicht reumütig, eher übermütig, zum pathologischen Patienten zurück und zu dessen nur rudimentär mitgebrachten Bereitschaften, in der OPD knapp und vermutlich dennoch treffend als „Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen“ definiert. Natürlich ein Ausweichmanöver. Man war nicht mehr weitergekommen und unterstellte, dass es wohl am Patienten liege. Denn wenn dieser gar nichts will, bzw. das Falsche („Ich möchte bevor ich 40 bin, einen Mann, eine weiße Ledercouch und zwei Kinder haben“), dann konnte es ja folglich nichts werden mit der Behandlung.

Die meisten Gruppen fangen sich wieder, nach dieser ersten Kollision ihrer hochfliegenden therapeutischen Vorstellungen mit dem defizitären Patienten; sie hatte zwar einen, sagen wir mal, kleinen Krater hinterlassen, in dem man sich aber nicht länger aufhielt, sondern zur Frage zurückkehrte: Was will den Patient? Meistens hilft es wenig, ihn das dann zu fragen. Denn es kommen Aussagen, die einerseits die Krankenkasse, den Partner und natürlich auch den Patienten brennend interessieren: „Mir soll es besser gehen!“ – „Ich will keine Panikattacken mehr haben“ oder „Ich will dieses schreckliche Leeregefühl loswerden!“. Antworten, die andererseits aber nicht weiterhelfen, wenn es sich um eine sogenannte aufdeckende Therapie handelt. Balint fällt mir an dieser Stelle ein. Er sagte einmal: „Auf Fragen erhält man nur Antworten“.

Ist also die Impactfrage aufgekommen, dann zeigt sie häufig ein bisheriges Versäumnis an: das Versäumnis der nicht stattgehabten Übersetzung des symptombezogenen in einen konfliktbezogenen Leidensdruck. Dieses Versäumnis darf dem Patienten nicht angelastet werden. Ein Verfahren, das auf nicht bewusste Hintergründe von Pathologien setzt, darf nicht zugleich die Reflexion und  Formulierung eben dieser Hintergründe vom Patienten erwarten. Da ist der Therapeut gefragt. Im Falle des panikattackengeplagten Patienten hieße das zum Beispiel, „ich will mit der Vorstellung, eventuell verlassen da zu stehen, leben können, auch wenn ich sie am liebsten gar nicht aufkommen lassen möchte“. Und im Falle des Leeregefühls könnte die Übersetzung lauten: „Ich will bei kränkenden Erfahrungen in meinem Leben trotzdem die Zuversicht haben, dass ich jemand bin, eine vollständige Person.“

Manchmal fängt sich die Gruppe aber auch nicht. Man bleibt im Krater hängen und kickt sich, da er doch eine recht komfortable Größe aufweist, kleine Bälle zu: dass der Patient sich verändern wolle, dass er die Therapie nur noch zur Stützung nutze, dass er nicht motiviert sei. Dass man sich das, als Therapeut, nicht länger geben solle. Dass das keine Kassenleistung mehr darstelle. Dann war die Kollision der Himmelskörper zu stark, das soll es geben, kleine Frage, riesiges Loch. Von Maßstäben bis zu 1:40 zum ursprünglichen Flugobjekt wird berichtet.

Was tun? Prävention natürlich. In regelmäßigen Abständen tapfer nachschauen, ob sich denn da nichts machen lässt in puncto Übersetzungsarbeit. Am besten gemeinsam mit dem Patienten, ganz nah dran. Das kann wahnsinnig lange dauern, weil es Abwehrarbeit bedeutet. Und es sollte dazu auch noch mittels eines therapeutischen Zwischenresumees regelmäßig evaluiert werden, um einigermaßen sicher zu gehen, dass die Sache in die erhoffte Impactrichtung geht. Die ESA (European Space Agency) arbeitet angeblich an einem Abwehrprojekt namens „Don Quijote“. Die zwei Sonden „Sancho“ und „Hidalgo“ könnten zum Asteroiden fliegen, wo ihn „Hidalgo“ als vier Tonnen schwerer Impaktor rammen würde, während „Sancho“ im Orbit des Asteroiden Daten über seine Geschwindigkeit, Zusammensetzung und Erfolg von „Hidalgo“ sammelt. Man hofft dadurch, den Asteroiden von seinem Kollisionskurs abzubringen. Da schwant dem Betrachter, warum man als Therapeut mit übereinander geschlagenen Beinen tatsächlich Geld verdienen kann.


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