... was bisher geschah
Der nette Justiziar hatte gesagt, es sei alles kein Problem. Ich habe allerdings den Verdacht, dass er mich bloß beruhigen will. Und überhaupt sei die zweimalige Verschiebung auch kein Problem, und wenn erst einmal die Nachbesetzung befürwortet sei, dann gehe es schnell; der 18. Oktober sei doch immer noch realistisch als Datum der dann folgenden endgültigen Verhandlung, zumal ich ja schon eine geeignete Käuferin hätte.
Episode 4: Verzichten lernen
Tag 117:
Das mit der Verzichterklärung und der neuerlichen Terminverschiebung ärgert mich. Der nette Justiziar hatte mir noch vor wenigen Wochen ans Herz gelegt, ich solle bloß nicht vorschnell den Verzicht erklären und damit sei bis drei Monate vor der Sitzabgabe Zeit. Ich rufe eine Dame vom Ausschuss an. Ich versuche die freundliche Mitleidserhaschungstour. Das sei ja jetzt wirklich ein Pech, wo ich doch sowieso den Verzicht erklären wollte und dass ich das doch dem Ausschuss auch schon geschrieben hätte, dass der Antrag jetzt aber schon wieder vertagt sei. Und dass der Justiziar mir sogar davon abgeraten habe, den Verzicht vorzeitig zu erklären. Der Dame vom Ausschuss ist das egal. Ich solle den Verzicht erklären. Ich frage sie, ob das mit Einschreiben geschehen solle. Nein. Ob es dafür ein Formular gebe. Nein. Ob ich denn eine Bestätigung erhalten würde, dass die Verzichtserklärung auch eingegangen sei. Nein. Ob ich anrufen dürfe, um nachzufragen, ob denn die Verzichtserklärung eingegangen sei; denn schließlich sei bei mir schon so viel schiefgelaufen. Bei dem Wort 'schiefgelaufen 'wird sie extrem pampig. Es sei gar nichts schiefgelaufen. Sie würde hier seit Jahrzehnten ihre ganz normale Arbeit tun. Ich entschuldige mich und sage, ich wolle ja nicht behaupten, dass beim Ausschuss etwas schief gelaufen sei. Sondern bei meinen bisherigen Bemühungen.
Nachts überlege ich, die Sache im Sande verlaufen zu lassen und einfach die wenn auch kleine Abfindung der Kassenärztlichen Vereinigung zu beantragen.
Ich erzähle diese Variante nochmal meinem Lebensgefährten: kein Verkauf, keine Nerverei, keine verschobenen Ausschusssitzungen. Er sagt, bist du verrückt, du kannst doch nicht auf soviel Geld verzichten.
Tag 120:
Bei der Verzichtserklärung, die ich nun formlos schon mal ins Laptop getippt habe, beschleicht mich das Gefühl, sicher ist sicher. Da ich mit der pampigkeitsgefährdeten Dame vom Ausschuss heute nicht reden mag, rufe ich lieber mal wieder den netten Justiziar an. Er erinnert sich an mich, das hebt meine Laune. Leider gebe es einen anderen Justiziar, der die Sache mit dem Verzicht verwalte. Ich rufe den anderen Justiziar an und hoffe inständig, es könne ein Bruder oder Cousin sein und genauso nett. Namentlich scheinen sie mir nicht verwandt, aber heutzutage nehmen ja manche Männer den Namen ihrer Frau an. Ich bin also voller Hoffnung. Der Justiziar vom Ausschuss ist die Nettigkeit in Person. Vielleicht ein Konkurrenzding mit dem anderen Justiziar? Egal. Er werde mir selbstverständlich ein Formular für den Verzicht schicken. Ach so, sage ich, ich dachte, es gibt kein Formular. Doch, sagt er, ich schicke es Ihnen zu.
Am selben Tag ruft mich abends die absolut aussichtsreiche ärztliche Bewerberin W. an, es sei ihr ja etwas unangenehm, aber sie habe sich jetzt angesichts der langen Zeit, die sich die Verhandlung über meinen halben
Sitz hinziehe, auf den Sitz der ärztlichen Kollegin S. beworben und ziehe ihr Interesse an meinem Sitz zurück. Denn der Sitz der Kollegin S. sei eine sichere Sache, Ärztin bewirbt sich auf Arztsitz, man habe schon einen Vorvertrag und die Übergabe sei zum 1. Januar. Ich wünsche ihr alles Gute und beiße danach in ein Teetablett.
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