Ich empfinde es als ungerecht,
um nicht zu sagen unmenschlich, ausgerechnet den hart arbeitenden, ernst und
diszipliniert ihre Therapiestunden absitzenden Psycho-therapeuten zu verwehren,
die tolle fünfte Jahreszeit auszukosten. Und zwar nicht nur, in dem sie im
stillen Kämmerlein diese ab Mitte Januar epidemisch sich ausbreitenden schwerverdaulichen
Berliner essen dürfen oder sich bei irgendeiner Kappensitzung amüsieren, möglichst
30 Kilometer weit weg, damit man in seinem Dschungelkostüm mit dem viel zu
weiten Ausschnitt nicht potentiell von Patienten oder, schlimmer noch, von
Kollegen erkannt wird. Nein, ich meine, unsere Zunft sollte sich die
rheinischen Fastnachtsmetropolen zum Vorbilde nehmen und auch während der
Berufsausübung vorübergehend, aber zuverlässig ausflippen. Wenn Du mal zum
Karneval in Aachen oder Köln warst, weisst du, was ich meine. Da triffst du auf
Busfahrer, deren rote Nasen oder Bunny-Ohren nur notdürftig davon ablenken
können, dass da möglicherweise was nicht mit rechten Dingen zugeht. Selbst die
sonst seriös verkleideten Bankangestellten wirken bei der Geldausgabe nicht nur
verirrt, da mit Matrosenkappe oder rosa Schleife verziert, sondern auch beim
Verrichten ihrer jeweiligen Aufgabe verdächtig langsam. Am besten, Du schliesst in diesen Tagen lieber keinen
Kredit ab, und Laufen statt Busfahren ist ja sowieso sehr gesund.
Bei der Psychotherapie ist es,
wenn du in irgendeiner stinknormalen Stadt lebst, die zwar Fastnacht kennt,
aber sie nicht wirklich lebt, gar
nicht so einfach, das Jeckentum ins Haus zu holen. Einen Patienten, der absagte,
um den örtlichen Fastnachtszug zu sehen, hatte ich erst ganze zwei Mal in 80
Jahren, und da ging es um das eigene Kind, dem man doch die Freude machen wolle.
Und da ich in einem Kapitalismusding drinhänge, sage auch ich nicht wegen
Tollität ab und lasse mir nicht mein Honorar entgehen, das ich in diesen Tagen
für abenteuerliche Hexenkostüme mit langen schwarzen Satinhandschuhen umsetze.
So trifft man sich zur „Sitzung“, als wenn nichts wäre, und da beginnen meine
Forderungen an die Berufsgenossenschaft. Ich finde, gerade die weiblichen
Therapeuten sollten jährlich am schmutzigen Donnerstag einmal Freilauf bekommen
und das Kostüm ihrer Träume tragen. Bei mir wäre es eine Polizeiuniform
(natürlich männlich). Und jeder Patient, der das Vergnügen hat, ausgerechnet
donnerstags seinen Therapietermin zu haben, würde mit besonderen Instruktionen
begrüßt. Die Polizistensitzung begänne dann so: „Frau X, hören sie gut zu“ oder
„Herr Y, aufgepasst“. – „Heute habe ich eine Pistole dabei, die steckt
griffbereit in meiner rechten Hosentasche. Sie dürfen in dieser Sitzung alles
machen und alles sagen – aber wenn ich diesen einen Satz von ihnen höre: Das ist
bei mir schon immer so gewesen, dann ziehe ich die Knarre und drücke ab“.
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