Ein interessanter Umstand, den ich (hier plane ich internationale wissenschaftliche Verbundstudien) eines Tages forschend begreifen möchte, ist die eigentümliche Beobachtung, dass Leute in meinem Umfeld, eben noch Kollegen wie du und ich, plötzlich eine Fortbildung
absolviert haben, bei der sie eine neue Methode entdeckt haben, in der sie flugs
certified master geworden sind – und
einige Monate später siehst du sie nicht etwa Patienten damit behandeln,
sondern sie sind Ausbilder in der Methode geworden und bieten ihre beratenden
Dienste an. Der Wechsel vom einfachen Behandler zum Dozenten und Supervisor ist
begehrt. Denn dann kannst du deine Arbeitskraft noch besser einsetzen, um den im
Sumpfe der Niederlassung tätigen Nichtwissenden zu helfen, die sonst desillusioniert
zu werden drohen im Laufe ihrer praktischen Arbeit.
Mein Traum wäre es, dass es doch reichen müsste,
sich in einem Ruck diese tollen Tipps, skills und Techniken, Hypnosätze und
interventions anzueignen und dann wäre ein für alle mal Ruhe im Karton der
Behandlungsprobleme! Damit wären die Therapien viel rascher am Ziel, die
Patienten müssten nicht stundenlange Gespräche über sich ergehen lassen, die
sie nur beim ersten und allenfalls zweiten Mal noch interessant finden und die
Kassen könnten Geld sparen. Auf diese Art wären drei Fliegen mit einer Klappe
geschlagen. Toll ! Es würden wenige Sitzungen ausreichen, und du hast sichtbare
Erfolge.
Du, als Normalo-Therapeut, meldest dich also, zu
einem ursprünglich mal als deine Freizeit vorgesehenen Termin, für den Teil I ,
II oder III (gerne auch basic, advanced oder master genannt) an, und hoffst,
dein Geld ist gut angelegt. Du fährst los, entweder am Wochenende oder abends
nach der Praxisarbeit. Du findest einen vollbesetzten, dafür ziemlich
unerotischen Seminarraum, der hat manchmal nur Oberlicht, denn die schöneren,
lichtdurchfluteten Räume sind für die Patienten oder die Oberärzte (gibt es da
eigentlich Überschneidungen?) da. Die meisten Teilnehmer sind so um die 50 und
berufserfahren, man schreibt mit, Notizblöcke werden rausgeholt und Stifte
gesucht. Sie wirken etwas abgehetzt, um nicht zu sagen, eine Dusche oder eine
geruhsame Tasse Tee hätten ihnen offensichtlich gut getan, doch die Fortbildung
schließt sich zeitlich eng an ihre eigentliche Tätigkeit an und die
Bundesstrasse war wieder einmal voll. Vorne hast du spannende Alternativen zu
bewundern: dort steht entweder ein etwas betagterer habilitierter Herr, ein
Grandseigneur seines Faches, der durch vortragendes Umherreisen zu nicht
unerheblichen Honoraren seine Rente aufbessert und gelegentlich kleinere
Witzchen einfliessen lässt, um professionell aufzulockern; oder du findest
einen weiblichen ziemlich chicen Hosenanzug vor mit messerscharfem Verstand im
Alter von gefühlten 25 Jahren, der gerade sein Psychologiestudium hinter sich
gebracht hat, aber schon „viel Erfahrung“ (die sich meistens als
Forschungserfahrung entpuppt) in skill A, Verfahren B oder treatment C
aufzuweisen hat. Sie redet und redet. Man müsse mit den schwierigen Patienten
so und so umgehen. Geheuchelte Dankbarkeit unter den Zuhörern. Bei manchen
Teilnehmern auch unterdrückter Ärger über sich selbst, weil man sich, obwohl
erfahrener als die Dozentin, so blöd und
rückständig vorkommt, denn: „It´s so
easy, just do it !“ Danach hätten der eine oder andere da doch noch eine
Frage. Aber gerne, obwohl der Hosenanzug das eigentlich als Störung verbucht,
bleibt er taff wie die Frau in der Zahnpastawerbung. Nochmal Powerpoint zur „Vertiefung“. Am Schluss leuchtet die letzte Folie in
azurblau:
ICH DANKE IHNEN FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT !
Bitte schön.
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