f Psychogeplauder: Von Burnern und Burnoutern (burn-out I)

Freitag, 21. März 2014

Von Burnern und Burnoutern (burn-out I)





Er birgt zugegebenermaßen einige behandlungstechnische Probleme, der burn-out. Für das Ego des Psycho-therapeuten  ist er erst recht ein heißer Ritt. Denn du hast da als einfühlsames professionelles Gegenüber vor allem zwei Selbsterfahrungsoptionen:
in vielen Fällen kannst du einem Patienten mit burn-out nicht so richtig helfen und fühlst dich inkompetent; und in ebenfalls vielen Fällen wirst du selber davon befallen. Das ist so wie früher, als die Pocken aufkamen; aus einschlägigen Filmen kennst du diese heroischen gutaussehenden Ärztegenies, die dank rasch gestellter Diagnose unter anderem die junge charakterlich einwandfreie Hauptdarstellerin retten, sie husten jedoch am Ende des Historienepos selber und der Zuschauer sucht nach einem Taschentuch. Ganz schlimm ist die Kombipackung: keine Therapieerfolge à gogo und mit der beruflichen Vitalität heißt es nach Jahren aufopferungsvollen Schuftens eines Tages Aus – die - Maus. Im Selbsttest, den mein email-Server zu Jahresbeginn auf seiner Willkommensseite anbot, schneide ich jedenfalls bedenklich schlecht ab.


Wenn die Ausgeburnten kommen, müsste man ja eigentlich als gewissenhafter Therapeut die Ursachen behandeln; aber da stehst du auf ziemlich verlorenem Posten. Gesellschaftlich betrachtet ist die Arbeitswelt in den meisten Metiers zwischen Verrohung und Ausbeutung angekommen, und auf individueller Ebene etwas bewirken zu wollen ist auch nicht gerade erfolgsgekrönt: den Chef des burnout-Opfers anrufen und ihn sozialpolitisch und spirituell aufklären, "hey, sei doch mal menschlicher, Profit ist doch nicht alles, weißt du, dass du einen Mitarbeiter auf dem nicht vorhandenen Gewissen hast?" Oder per Einschreiben die Kollegen des Patienten sich zur Brust nehmen und ihnen Nachhilfe in Selbsterkenntnis geben: "hallo, kann es sein, dass ihr absichtlich fies zu Birte wart und ihr immer mehr aufgebürdet habt? Ihr untergrabt ihr Selbstwertgefühl, und wenn sie nach der Therapie zu euch zurückkommt, macht sie alle in der Abteilung rund und lässt sich nie mehr ausnutzen!" Den Rat an den Betroffenen, der ja auch irgendetwas mit der Misere zu tun haben könnte, doch einfach nur noch die Hälfte zu arbeiten und zu verdienen, nimmt auch nicht jeder burn-out - Geplagte begeistert an. Sind die Patienten selbstständig, ist das mit der Arbeitszeit im übrigen teilweise grotesk, weil sie zehn Jahre lang eine 80-Stunden-Woche absolviert hatten, dann nicht mehr piep sagen können, aber einen Lebensstandard erworben haben, der ihnen ein Zurückfahren ihrer Arbeitsleistung erscheinen liesse, als müsse Mark Zuckerberg Sozialhilfe beantragen. 

In der Therapeutenzunft ringt man angesichts dieser Schwierigkeiten seit einigen Jahren um effektive behandlungstechnische Alternativen. Zum Beispiel gibt es da die körperlichen Entspannungsmethoden. Sie haben zunächst den eindeutigen Vorteil, dass viele Patienten sie bereitwillig erlernen wollen, in Kursen, „Schnupper-workshops“ oder während ihrer sogenannten Kur, wenn sie von der Krankenkasse in eine der zahlreichen Rehakliniken unseres Landes geschickt werden. Die beruhigenden Stimmen von Entspannungslehrerinnen werden dabei ebenso gelobt wie die Erfahrung, dort mal so richtig relaxed gewesen und einige Male sogar eingeschlafen  zu sein. Aber zuhause täglich alleine die Übungen anwenden – das ist dann doch nicht so interessant, wie nach dem letzten Kursabend bei der Volkshochschule noch gemeinsam einen heben gehen. Lange Krankschreibungen werden ebenfalls als therapeutische Option genutzt. Problem: Die Beziehung zwischen Hausarzt und burn-out-Patient stabilisiert sich zwar, diejenige zum Chef und zu den Kollegen wird dagegen selten besser. Die Partnerschaft des Patienten auch nicht, weil das ausgebrannte Wesen dauernd zuhause rumhängt, was die meisten Gefährten nervt und von liebevollen Begleitern zu augenrollenden Nestflüchtern mutieren lässt, die schließlich sogar in besonders krassen Fällen selbst einen Therapeuten aufsuchen müssen. Oder man setzt sanfte Methoden ein, zum Beispiel einen Apfel essen und dabei nur an ihn denken. Du merkst, lieber Leser, es gibt viele unterschiedliche Wege, sich dem Lande des methodischen Offenbarungseides zu nähern.

Früher, vor etwa 15 Jahren, bevor das mit dem burn-out so richtig los ging, nannte man Menschen, die keinen Antrieb, keine Visionen und keinen Schlaf mehr fanden, die sich immer mehr verausgabten, weil sie das Gefühl hatten, sonst nichts wert zu sein, depressiv. Und das Wort burnen kannte man nur aus der Jugendsprache. Burner waren besonders tolle Erlebnisse, zum Beispiel gelungene Parties mit coolen Leuten oder Konzerte, bei denen es richtig abgeht und ähnliches. Burner waren die Erlebnisse, nicht die Leute. Diese Wortbedeutung würde mir auch total einleuchten, denn wie kann eigentlich so eine Flamme erst in einem herumwüten, dann ausgehen, und man läuft die ganze Zeit unauffällig und ohne Vorstrafen herum wie du und ich? Heutzutage wird der burn-out auffallenderweise von vielen Patienten selbst diagnostiziert und nicht verheimlicht wie manch andere Seelenkrankheit, sondern fast ein wenig stolz öffentlich gemacht.  In diesen Fällen bedeutet burn-out wohl eher, dass eine Tätigkeit, eine Arbeit, ein Beruf nicht mehr burnt. Heutzutage soll die Arbeit ja „Spaß machen“ (hä? - sag´ das mal einer Pflegerin in einer Demenzabteilung, einem Müllmann in Neapel oder einem niedergelassenen Onkologen mit 1500 Krebspatienten im Quartal); sie soll einen „weiterbringen“ und nicht so „stressen“ (jawohl !); beklagen sich doch tatsächlich immer mehr Menschen darüber, dass sie nach einem Achtstunden-Arbeitstag abends zu müde sind, noch mit Freunden zu auszugehen und was zu erleben. Das ist mensch-heitsgeschichtlich betrachtet doch etwas bedenklich.

Ich für meinen Teil werde zukünftig jedes Vierteljahr den Selbsttest wiederholen, und wenn ich eine steigende burn-out-Gefährdung errechne, dann suche ich mir was, was richtig burnt. Vielleicht einen blog mit dem Titel: Burnout – dein Feind wetzt schon die Messer oder so einen subversiven Zweitblog, der Therapeuten – schlummernde Gefahr aus Ohrensesseln heisst. Und ich werde nur dann einen neuen post reinstellen, wenn mir wirklich danach ist. Druck kann ich nämlich gar nicht gebrauchen. 

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