Graphik mit freundlicher Genehmigung des Autors entnommen aus NATTERTON, D.M.: "The charcoal change phenomenon", Boston/Mass. |
Du wirst per email oder flyer darauf aufmerksam
gemacht. Sie verfolgt Dich, ob Du nun fünf, zehn oder sogar fünfundzwanzig
Jahre Berufserfahrung hast,
manchmal mittels teurer sogenannter newsletter, die dir unaufgefordert, aber dafür in Hochglanz mitteilen, was du schon wieder alles seit dem letzten newsletter versäumt hast : Fortbildung. Auf den flyern sind die Fortbildenden beschrieben: bei Frauen ohne, bei Männern mit Angabe des Jahrgangs, meistens Farbporträt, irgendwie sind die cooler und besser gelaunt und sie sehen viel netter und warmherziger aus als du. Perlenketten. Sonnendurchflutete Baumwipfel als Hintergrund. Beim Betrachten stellen sich erste Selbstzweifel ein. Dann steht dort noch, wo sie selbst ihre Ausbildung gemacht haben. Meistens in einem Institut. Hierzu wird der Name des Institutschefs angegeben. Das ist dann eine, wenn auch kleine, Überschneidung mit buddhistischen workshops und retreats, da steht auch immer: Langjährige Studien in …., Meditationslehre bei …., oder Schülerin von …..
manchmal mittels teurer sogenannter newsletter, die dir unaufgefordert, aber dafür in Hochglanz mitteilen, was du schon wieder alles seit dem letzten newsletter versäumt hast : Fortbildung. Auf den flyern sind die Fortbildenden beschrieben: bei Frauen ohne, bei Männern mit Angabe des Jahrgangs, meistens Farbporträt, irgendwie sind die cooler und besser gelaunt und sie sehen viel netter und warmherziger aus als du. Perlenketten. Sonnendurchflutete Baumwipfel als Hintergrund. Beim Betrachten stellen sich erste Selbstzweifel ein. Dann steht dort noch, wo sie selbst ihre Ausbildung gemacht haben. Meistens in einem Institut. Hierzu wird der Name des Institutschefs angegeben. Das ist dann eine, wenn auch kleine, Überschneidung mit buddhistischen workshops und retreats, da steht auch immer: Langjährige Studien in …., Meditationslehre bei …., oder Schülerin von …..
Es gibt ein Phänomen, dem ich seit Jahren auf
der Spur bin und das ich immer noch unerklärlich finde: warum werden die
Therapeuten nicht besser und besser? Mittlerweile sind soviele Techniken
erfunden worden, dass es sich doch irgendwie in den Erfolgsraten der
Psychotherapie niederschlagen müsste! Aber nein, immer die gleichen
Prozentzahlen für den Anteil der „befriedigenden Besserungen“ und der
„Heilungen“. Seit Jahrzehnten. Und immer mehr psychisch Kranke. Aber vielleicht
liegt es daran, dass man zuwenige levels hat. Es gibt da nämlich verschiedene
Grade deiner Bewußtseinserweiterung, das heißt, so eine einzelne Fortbildung
ist ja immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein deines Nichtwissens und soll
ein Anfang, ein Baustein, sein.
Vielleicht sollte ich ja auch bei der nächsten Fortbildungseinladung mal
beherzter und entschiedener reagieren; zudem wird es ja auch günstiger, wenn Du
Frühbucher bist. Einerseits musst du
dich ja fortbilden, damit du von der Therapeutenkammer anerkannt wirst und sie
dir nicht Geld abziehen für deine Arbeit, die ohne Fortbildungspunkte Gefahr
läuft, nicht soviel „Qualität“ aufzuweisen (stolze Vertreter des Faches hängen
sich das Fünf-Jahres-Zertifikat gerahmt ins Wartezimmer; bei mir hat es,
solange sie lebte, nur meine Oma gehabt, hinter Glas im Küchenvertiko).
Andererseits willst du dich ja auch
fortbilden, weil du den Eindruck hast, dass die therapeutische Praxis grau ist
im Vergleich zur gelernten Theorie; deshalb machst du immer wieder mit, um nach
erfolgreicher Fortbildung festzustellen, dass die therapeutische Praxis
dunkelgrau ist im Vergleich zur gelernten Theorie. Diesen, übrigens mittels
weltweiter Forschung gerade sich auch bei großen Fallzahlen zu bestätigen
scheinenden Umstand nennt man das Anthrazit-Wechsel-Phänomen (engl.: charcoal change phenomenon) nach
Professor Natterton. Der Name ist ein Pseudonym, dahinter stecke, mit aller
Bescheidenheit, ich, aber ich wollte nicht, dass man mir im Auftrag eines
Instituts in einer nebligen Nacht die Reifen aufsticht.
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