f Psychogeplauder: charcoal change (Fortbildung II)

Sonntag, 30. März 2014

charcoal change (Fortbildung II)



Graphik mit freundlicher Genehmigung des Autors entnommen aus
NATTERTON, D.M.: "The charcoal change phenomenon", Boston/Mass.



Du wirst per email oder flyer darauf aufmerksam gemacht. Sie verfolgt Dich, ob Du nun fünf, zehn oder sogar fünfundzwanzig Jahre Berufserfahrung hast,
manchmal mittels teurer sogenannter newsletter, die dir unaufgefordert, aber dafür in Hochglanz mitteilen, was du schon wieder alles seit dem letzten newsletter versäumt hast : Fortbildung. Auf den flyern sind die Fortbildenden beschrieben: bei Frauen ohne, bei Männern mit Angabe des Jahrgangs, meistens Farbporträt, irgendwie sind die cooler und besser gelaunt und sie sehen viel netter und warmherziger aus als du. Perlenketten. Sonnendurchflutete Baumwipfel als Hintergrund. Beim Betrachten stellen sich erste Selbstzweifel ein. Dann steht dort noch, wo sie selbst ihre Ausbildung gemacht haben. Meistens in einem Institut. Hierzu wird der Name des Institutschefs angegeben. Das ist dann eine, wenn auch kleine, Überschneidung mit buddhistischen workshops und retreats, da steht auch immer: Langjährige Studien in …., Meditationslehre bei …., oder Schülerin von …..

Es gibt ein Phänomen, dem ich seit Jahren auf der Spur bin und das ich immer noch unerklärlich finde: warum werden die Therapeuten nicht besser und besser? Mittlerweile sind soviele Techniken erfunden worden, dass es sich doch irgendwie in den Erfolgsraten der Psychotherapie niederschlagen müsste! Aber nein, immer die gleichen Prozentzahlen für den Anteil der „befriedigenden Besserungen“ und der „Heilungen“. Seit Jahrzehnten. Und immer mehr psychisch Kranke. Aber vielleicht liegt es daran, dass man zuwenige levels hat. Es gibt da nämlich verschiedene Grade deiner Bewußtseinserweiterung, das heißt, so eine einzelne Fortbildung ist ja immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein deines Nichtwissens und soll ein Anfang, ein Baustein, sein. Vielleicht sollte ich ja auch bei der nächsten Fortbildungseinladung mal beherzter und entschiedener reagieren; zudem wird es ja auch günstiger, wenn Du Frühbucher bist. Einerseits musst du dich ja fortbilden, damit du von der Therapeutenkammer anerkannt wirst und sie dir nicht Geld abziehen für deine Arbeit, die ohne Fortbildungspunkte Gefahr läuft, nicht soviel „Qualität“ aufzuweisen (stolze Vertreter des Faches hängen sich das Fünf-Jahres-Zertifikat gerahmt ins Wartezimmer; bei mir hat es, solange sie lebte, nur meine Oma gehabt, hinter Glas im Küchenvertiko). Andererseits willst du dich ja auch fortbilden, weil du den Eindruck hast, dass die therapeutische Praxis grau ist im Vergleich zur gelernten Theorie; deshalb machst du immer wieder mit, um nach erfolgreicher Fortbildung festzustellen, dass die therapeutische Praxis dunkelgrau ist im Vergleich zur gelernten Theorie. Diesen, übrigens mittels weltweiter Forschung gerade sich auch bei großen Fallzahlen zu bestätigen scheinenden Umstand nennt man das Anthrazit-Wechsel-Phänomen (engl.: charcoal change phenomenon) nach Professor Natterton. Der Name ist ein Pseudonym, dahinter stecke, mit aller Bescheidenheit, ich, aber ich wollte nicht, dass man mir im Auftrag eines Instituts in einer nebligen Nacht die Reifen aufsticht.

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