雙喜
Das
chinesische Zeichen für Doppelglück
bei seiner jahrhundertealten
Aufgabe,
als Symbol für die Eheschliessung zu fungieren
Eine meiner schmerzlichsten Erkenntnisse, die mir mein ansonsten wunderbarer Beruf bescherte, war das Entsetzen,
wie sich manche Paare gegenseitig quälen und welch´ zwischenmenschliche Folterkammern sich hinter den harmoniedemonstrierenden Pärchenfassaden zuweilen verbergen. Wenn sie sich nicht trennen, können sich einige den Großteil ihres Lebens damit verderben, das Wunder trauter Zweisamkeit mit ihren resignierten Füssen zu treten. Komischerweise scheint sich der Mensch, als Gewohnheitstier, an fast alles zu adaptieren, so auch an schlechte Beziehungen. Nur so kann ich es mir erklären, dass ich gelegentlich innerlich herzschmerzgequält aufjaulen muss, während mir ein neuer Patient oder eine Patientin beiläufig und ohne großes Wimpernzucken Einblick gewährt in das Land des Partnergrauens, so dass du Elizabeth Taylors und Richard Burtons Mehrfachstreitehe als geradezu langweilig empfindest.
wie sich manche Paare gegenseitig quälen und welch´ zwischenmenschliche Folterkammern sich hinter den harmoniedemonstrierenden Pärchenfassaden zuweilen verbergen. Wenn sie sich nicht trennen, können sich einige den Großteil ihres Lebens damit verderben, das Wunder trauter Zweisamkeit mit ihren resignierten Füssen zu treten. Komischerweise scheint sich der Mensch, als Gewohnheitstier, an fast alles zu adaptieren, so auch an schlechte Beziehungen. Nur so kann ich es mir erklären, dass ich gelegentlich innerlich herzschmerzgequält aufjaulen muss, während mir ein neuer Patient oder eine Patientin beiläufig und ohne großes Wimpernzucken Einblick gewährt in das Land des Partnergrauens, so dass du Elizabeth Taylors und Richard Burtons Mehrfachstreitehe als geradezu langweilig empfindest.
Nennen wir die heutige Protagonistin meines liebesdurstigen romantik-hungrigen Seufzerposts doch, weil´s so gut passt, Elizabeth. Sie kam nach einer jahrezehntelangen (das ist jetzt echt und keine Übertreibung) Odyssee bei Heilpraktikern, Ärzten, Kliniken, ratgebenden Freundinnen und kompensationsbietenden Shoppingmeilen auf mich zu wegen Schmerzen am ganzen Körper. Schmerzen am ganzen Körper sind in vielen Fällen nicht organisch bedingt und wenn doch, steckt oft eine Fehldiagnose dahinter. Diese bläht den entsprechenden Behandler zum Diagnosegott und dessen Portemonnaie zum schier aus den Echtleder-Nähten platzenden Geldsack auf. Beides, das ist wohl ausgleichende Gerechtigkeit, ist allerdings nur für begrenzte Dauer, weil nach einer gewissen Zeit Ernüchterung beim Patienten eintritt und der nächste Diagnosegott aufgesucht wird. Elizabeth kam, um „nichts unversucht zu lassen“, ein Satz, der dich doch prognostisch nachdenklich stimmt, nach vielen Jahren tatsächlich auf die Idee, auch mal einen psychotherapeutischen Gott um Rat zu fragen. Sie fiel mir dadurch auf, dass sie so einen ungeheuer emsigen Eindruck machte und andererseits über ständige Erschöpfung klagte. Ihr durch zwei Nebenjobs und minutiöse Pflege eines sehr großen Hauses sowie immense Schulden wegen früherer Fehlspekulationen gebrandmarkter Tagesablauf war eine Abfolge von gewissenhaft erledigten Pflichten. Diese notierte sie sich abends bereits für den nächsten Tag auf einem Zettel, den sie auf den kleinen Tisch in der Diele legte, auf dem ihr Mann seinen Büroschlüssel zu deponieren pflegte. Offenbar sollte er diesen Zettel täglich sehen, und da waren wir dann, nach vielen Sitzungen, beim Thema angelangt: sie machte sich Vorwürfe, dass ihr Mann soviel arbeitete und selbst am Wochenende Arbeit mit nach hause nahm, so dass sie sich über die Jahre angewöhnt hatte, auch ganz viel zu arbeiten, um sich nicht "schlecht" zu fühlen. Sich länger als fünf Minuten auf ihr Sofa zu setzen, war ihr nicht möglich, in Bayern nennen sie das Nerverl und halten es für angeboren, in manchen Gegenden wird es als Erwachsenen – ADHS beschriftet, aber ich habe da meine tiefenpsychologischen Zweifel. Der kleine Zettel lag auf dem Tischchen, damit ihr Mann sah, was sie alles leistete, und, als ob er von diesem Leistungswettbewerb angesteckt worden wäre, hatte er seit Jahren angefangen, neben seinem 60 Stunden – Handwerker-Betrieb auch noch zu joggen und sich für Marathons zu Fuß und mittels Mountainbike fit zu machen. Er nahm auch mit strenger Diät Gewicht ab, so dass er Elizabeth, die gerade an der Grenze zum Untergewicht dahinschwebte, nach vielen übergewichtigen Jahren neuerdings ins konkurrierende Gehege kam. Morgens saß er mit der Zeitung vor einem Glas (von Elizabeth frisch gepressten) Orangensafts und sie vor einem Birchermüsli in einem Minischälchen, und wenn einer der beiden das Gefühl hatte, er genieße zuviel, ließen sie am nächsten Tag das Frühstück zugunsten gesunder Wechselduschen ganz ausfallen. Dabei stets darauf achtend, dass es der andere mitkriegt. Als er sich für den ersten Halbmarathon anmeldete, begann sie auch noch zu joggen, obwohl ihr alles wehtat, und es war schon in meinem bequemen Sessel sitzend eine Qual, mit anzuhören, wie sie sich hetzte, kasteite und disziplinierte. Vermutlich mit Hilfe von Freundinnen (ob auch ich da meine therapeutischen Finger drin hatte, ist mir verborgen geblieben), die das auch nicht mehr mitansehen mochten, konnte sie sich aber doch verändern, machte statt Endlosjoggen plötzlich wellness und statt in drei Bioläden nacheinander hektisch einzukaufen, gab es „manchmal einfach nur eine Pizza“. Sie stand nicht mehr hektisch vom Sofa auf, wenn sich abends der Haustürschlüssel bewegte, sondern blieb einfach sitzen, sie begann damit, alles, was sie dachte, ihm vor die müden Klempnerfüsse zu schleudern, und wenn ihr danach war, dann legte sie sich einfach ins Bett und las. Doch da hatte sie die Rechnung ohne ihren Handwerker gemacht. Erst lieferte er ihr, meiner Meinung nach völlig zu Recht, wortreiche Tiraden, indem er sich beklagte, sie sei auf einem Egotrip und er schufte wie blöd und müsse sich Sorgen um seinen Blutdruck machen. Als das nichts half, ging er zur Frontalattacke über und warf ihr vor, sie sei durch mich versaut. Aber sie blieb cool und riet ihm, diesmal darf ich diesen Schachzug auf meinem Leistungskonto verbuchen, er bedürfe wohl mal einer eigenen Therapie, da er völlig unausgeglichen sei. Zu meiner Verblüffung schien er das, natürlich zeitversetzt und nicht ohne Absingen schmutziger Lieder auf Psychologengeschwafel, auch tatsächlich umzusetzen, wobei ihn wohl die Sorge um den Blutdruck trieb. An letzterem war Elizabeth auch nicht ganz unschuldig, zumindest sagt uns die aktuelle, wie fast immer mahnende, Forschung zum Thema, dass nörgelnde unzufriedene Ehefrauen bei Männern auf dem Wege der Cortisolerhöhung für früheres Ableben sorgen. Mit seiner Therapie begann für unsere Elizabeth eine Leidenszeit sondergleichen, weil er plötzlich nicht mehr auf´s Geldverdienen schaute, stattdessen alleine eine Woche nach Teneriffa flog (aus medizinischen Gründen wohlgemerkt, es handelte sich um die Teilnahme an einem Männerworkshop) und mit ihr bis auf´ s Blut um die goldene Ich-sorge-gut-für-mich-Nadel konkurrierte. Die beiden sind, wie mir neulich ein Blick ins Telefonbuch verriet, offenbar immer noch zusammen, wobei ich annehme, das hat eher Bequemlichkeitsgründe.
Vermutlich haben beide von ihrer Psychotherapie profitiert, denn ihre Schmerzen gingen deutlich und sein Blutdruck ebenfalls bis zur Medikamentenfreiheit zurück, aber ihr Pärchenleben blieb freudloser als je zuvor.
Wenn alle Stricke reißen, die sich Paare so drehen, böten sich neben Therapeutenratschlägen daher alles in allem doch eher gute Geister an, die man beschwört; die Chinesen haben das Zeichen für „doppeltes Glück“, um eine glückliche Ehe zu symbolisieren, und weil selbst sie nicht ganz überzeugt sind, ob jede Ehe es schafft, als Doppelwhopper der Glückseligkeit durch die Zeit zu taumeln, hängen sie den Schriftzug an die Tür von Frischvermählten, um ganz sicher zu gehen. Ob das Zeichen wirkt, wusste wieder mal kein Mensch, den ich danach fragte, aber ich finde es wunderschön und glaube fest an die Kraft des Sinnlichen und erst recht des Übersinnlichen !
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