f Psychogeplauder: Container

Mittwoch, 22. Januar 2014

Container





Jetzt muss ich mal was über FREUD & Co. loswerden, obwohl ich das nicht wollte, da seit Generationen ständig alle Therapeuten etwas über FREUD & Co. loswerden müssen.  Seine in Wien verfassten Schriften waren ja schon

rein sprachlich ein solcher Genuss, dass sie den Goethe-Preis verdienten, aber die Juden wurden ja während der ersten Blütephase der neuen Psychologie vertrieben, auch FREUD und viele andere packten ihre Koffer und zogen in letzter Minute nolens volens nach London, New York, Buenos Aires oder sonst wohin um, weil die Nazis sie für gefährlich, d.h. interessant, einstuften. In der Fremde schrieben FREUD & Co. gemäß des ihnen innewohnenden wissenschaftlichen Lustprinzips emsig weiter, aber verlegen konnten sie die Texte erst einmal nur in englischer Sprache. Damit begann das didaktische Unheil. Nach dem Krieg und der Amerikanisierung Deutschlands hat man das Ganze – deutsch gedacht, englisch aufgeschrieben - dann wieder ins Deutsche rückübersetzt. Man hätte den Meister lieber selber fragen sollen, aber der Mann war krank und außerdem galt es wohl eine Weile lang als chic, englische Psychoanalysetexte im Original zu lesen (deutsche Sprache = Hitlersprache). Nur die Franzosen wieder mal, die grande nation, haben eigens ein Buch kreiert mit dem Titel Traduir Freud, in dem sie über 5000 Begriffe in ihrer über alles geliebten Muttersprache festklopften. Jedenfalls ist es nicht nur bei Freud selbst, sondern auch bei denjenigen seiner Kollegen, die englische Muttersprachler waren, zu manch einem Übersetzungsirrtum mit enormer psychohygienischer Tragweite gekommen; einer der tragischsten ist der mit dem Container. Den hat man gleich in der deutschen Übersetzung so stehen lassen, als modischen Anglizismus. Der Urheber des Container-Begriffes musste während des ersten Weltkrieges wehrhaft unter Kanonenhagel mit ein paar anderen Soldaten in einem Panzer herumfahren, insofern scheint seine bildhafte Wortwahl ja wirklich naheliegend. Seither quälen sich allerdings ausbildungsjahrgangsweise die werdenden Therapeuten mit diesem moralinsauren hoch erhobenen Container-Zeigefinger herum, der ihnen bedeutet, dass sie alles, was vom Patienten kommt, reinlaufen lassen, sich beschimpfen, abwerten, langweilen, mit Schmutz bewerfen oder anjammern lassen sollen, so wie ein Container eben. Der gute Therapeut nimmt alles in sich auf. Und dann, wohin damit ? Selbst wenn wir uns dieser hochinteressanten, bücherfüllenden Frage der weiteren psychologischen Verstoffwechselung  (in reifer Form verarbeiten) an diesem Punkte entziehen, ist es doch wohl erlaubt, mal den ästhetischen Gesichtspunkt zu betrachten. Wenn Du in einen Laden gehst, findest zu zahlreiche Mülleimer, in verschiedenen Farben, oft mit Edelstahl kombiniert, Hochglanz oder matt, es gibt wirklich außerordentlich chice und auch hochpreisige Modelle,  die Deckel manchmal diskret mit dem Fuss bedienbar, andernfalls mit einem lautlosen sogenannten Swingdeckel, der dich allerdings vor die Aufgabe stellt, bei unhandlicheren Abfällen dann doch kurz in Handberührung mit dem ganzen Dreck zu geraten. Manche wenngleich recht voluminös daherkommenden Teile haben sogar die Option einer integrierten Mülltrennung (scheusslich, da noch lebend / normal / wiederverwertbar). Aber jeder weiß, wie so ein Teil nach mehrmonatigem (von den Spuren eines jahrzehntelangen Berufslebens mal ganz zu schweigen) Gebrauch aussieht: befleckt, verbappt, mit Resten von nicht gezielt genug geworfenem Entsorgungsmaterial versehen, tangential gestreift von unappetitlichen und unerklärlichen Partyresten, der Glanz ist weg, die Grundfarbe auch, Metallteile oxydieren mit der Zeit und sehen aus wie Omas alter Silberschmuck, den du nach Jahren zu feuchter Kellerlagerung findest und von dem du dich fragst, ehrlich oder höflich handeln ?
Contain heißt eigentlich halten, umfassen, in Schach halten (zum Beispiel einen Feind) oder auch eindämmen. Vom Abfalleimer war nie die Rede. Aber bring das mal einem langjährig studierten und ebenso langjährig ausgebildeten Gutmenschen bei, der endlich mal „helfen“ möchte, in dem er sich wehrlos und geduldig den sprachlichen und nicht-sprachlichen Äußerungen des Patienten, der gelegentlich auch noch als dessen Ersatzkind fungieren muss, ergibt. Den Gutmenschen nennt man dann in belesenen Kreisen ein „gutes Objekt“. Er ist oft weiblich, das Gesicht tief zerfurcht, dafür naturbelassen, man soll ja zuhören, nicht sich zurechtmachen, die Kleidung ist praktisch, als habe man drei Kleinkinder zu versorgen oder beabsichtige, in Zeitnähe bei rauhen Windverhältnissen eine Bergwanderung zu beginnen (vielleicht ja eine unterbewußte Präventionsstrategie zum Vermeiden allzuhoher Reinigungskosten, falls der Müll aus ihnen oder dem Patienten aufgrund eines Überdruckes doch noch einmal unkontrolliert herausplatzen sollte). Wenn ich so ganz tief in mich hinein höre, achtsam auf mich selbst bin und fest in meine Mitte hin spüre, dann meine ich zu merken, mir wird gerade schlecht.

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