Wir alle haben ein Unterbewusstsein. Wir kennen es bloß nicht. Das ist in der Regel auch gut so. Es sei denn, dein Unterbewusstsein beschert dir grauenhafte Symptome, so dass es dir möglicherweise irgendetwas sagen will. Dann lohnt es sich,
die Sache, so gut es geht, zu klären. Georgios war so ein Fall. Er kam unter Inkaufnahme einer wirklich beeindruckend langen Anreise aus jenem bäuerlichen Landstrich, für den sie hier, in der Kreisstadt, sogar einen besonderen, wenngleich wenig schmeichelnden Namen haben, den ich aber aus Gründen des Anstands an dieser Stelle lieber nicht wiedergebe. Die weite Entfernung zwischen meiner Praxis und seinem Zuhause galt übrigens weniger meinem überregionalen Bekanntheitsgrad, sondern war der Sorge solcher Familien geschuldet, beim Gang zum Therapeuten erkannt zu werden. Nicht jeder löst das mit riesigen Sonnenbrillen. Manche reisen lieber. Für die eineinhalbstündige Autofahrt zur Praxis hatte er sich selbst hinter´ s Steuer gesetzt. Auch das war gut so. Ich wertete es als Zeichen für seinen griechischen Reststolz, aber das würde jetzt hier zu weit führen. Georgios kam in Begleitung zum Erstgespräch. Er hatte seine zukünftige Braut und seine ebenfalls zukünftige Schwiegermutter dabei, die artig bis unterwürfig im Wartebereich Platz nahmen und mir ohne Worte signalisierten, „wir mischen uns hier, in dieser üblen neuzeitlich-durchpsychologisierten Spelunke, mit Sicherheit nicht ein“. Therapeutenregel: Patienten kommen fast immer ohne Begleitung zum Erstgespräch. Zusatzregel: Kommen Patienten in Begleitung, dann ist die Begleitung das Problem. Aha, denkst du jetzt, und du hast völlig recht. Georgios stand unter erheblichem Druck, er berichtete, er stehe schliesslich zwei Wochen vor seiner Hochzeit, und vermutlich habe er eine Ämme-Ässe, schweres Herzkrankheit oder Kräpps. Er leide seit Wochen unter Schwindel, der ihn ständig hin- und hertapsen lasse, um so im Stehen und Gehen sein Gleichgewicht einigermaßen halten zu können. Probleme habe er sonst keine. Zuhause sei alles in Ordnung, und er liebe seine zukünftige Frau. Aber, so schade, sie wird junge Witwe sein, weil ich krank, weil ich sterben muss. Therapeutenregel: Kommen sie in Begleitung, ist zuhause immer alles in Ordnung. Am Ende des Erstgespräches stand Georgios, unsicher, ob er sein ganzes Leid mir ausreichend plastisch dargebracht hatte, auf, um mir das Problem auch optisch noch einmal zu demonstrieren. Er hatte sich offenbar aus Sicherheitsgründen entschlossen, sein Symptom für dummies griffig aufzubereiten. Er trat von einem Bein auf das andere, was ihm, groß und kräftig, eine Tanzbärenaura verlieh, und sprach dazu mit erhobener Stimme wie ein rezitierender Theaterschauspieler: Was soll ich machen, was soll ich machen. Was denken der Pfarrer, wenn ich ja sage und so hin- und herwackele. Ich wurde von meinen Spiegelneuronen hinterrücks überwältigt, und noch ehe ich wusste, was ich da tat, imitierte ich ihn, stand auf und trat ebenfalls von einem Bein auf das andere, dabei musste ich so lachen, dass ich mir den Bauch hielt. Ein wunderbares Tänzchen war das, so Hin und Her. Georgios musste schliesslich auch lachen. Wir verabschiedeten uns bis zur nächsten Woche mit Tränen in den Augen. Ich hatte die Vermutung, nach diesem Lachanfall könnte Georgios vielleicht geheilt sein. Erklärt hatte ich ihm zwar nichts. Aber wir beide hatten dank seiner beherzten Spontanaktion den highway zu seinem Unterbewußtsein erwischt, irgendwie hatten wir den Kern des Ganzen weggelacht, sollte der Pfarrer doch denken, was er wolle …. und die Braut auch! Nach dieser Sitzung fiel mir mein Lieblings-Mäuse-Cartoon ein. Frau Maus, fein und ganz in Weiß herausgeputzt, und Herr Maus, im etwas zu knappen Smoking, stehen vor Pfarrer Maus. Herr Maus fragt mit besorgtem Blick, während Frau Maus selig und nichtsahnend vor sich hinlächelt: Ist das Ja auch gültig, wenn der Bräutigam dazu gezwungen wurde ? Georgios kam eine Woche später wieder. Diesmal ohne Begleitung, die beiden hatte er in die Stadt geschickt, zum Schuhe - Aussuchen für den großen Tag. Er sagte, es gehe ihm schon viel besser. Er bedanke sich vielmals, zu weiteren Terminen könne er leider nicht erscheinen, da er ja nächste Woche heirate und auch danach wenig Zeit haben werde.
So ist das mit dem Unterbewusstsein.
Du denkst die ganze Zeit über, aha, aha. Und hast damit völlig recht. Dir
erscheint alles klar, aber der Betroffene denkt, er habe einen Hirntumor.
Manchmal gehen diese Beschwerden auch weg, ohne dass man darüber redet.
Funktioniert jedoch, fürchte ich, so wirklich gut nur bei jungen Griechen. Aber
auch das ist gut so. Tanzeinlagen kann man nicht über die Kasse abrechnen. Sie
gelten als Privatvergnügen des Therapeuten, und wenn man den Patienten
miteinbezieht, schlittert die ganze Aktion bereits arg am Missbrauch vorbei.
Danke, ich hab' mich kaputt gelacht und finde die Beiträge genial. Ich bin auch Therapeutin und Sie sprechen mir aus der Seele. Man hat doch relativ selten etwas zu lachen.
AntwortenLöschenIch freue mich schon auf jeden neuen Post. Vielleicht könnte man unter Therapeuten einen Fan-Club gründen und Ideen für Beiträge liefen?
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