Nach vielen recherchereichen Jahren… habe ich begriffen, was hinter den etwas betulichen Formulierungen der Weihnachtskarten, -briefe und E-Mails steckt: Es sind die Wünsche für das Eintreten dessen, was über die sogenannten Feiertage am unwahrscheinlichsten eintreten wird. Logo. Da hätte ich eigentlich schon früher drauf kommen können: Das, was sowieso erwartbar ist, braucht man ja auch niemandem extra zu wünschen. Da haben wir folgende Wunsch-Attribute für Weihnachten: besinnlich, geruhsam, ruhig, angenehm, im Familienkreis, im Kreise der Lieben, gesegnet oder einfach… schön! „Joyeux“ ist schon eher etwas von den Franzosen Bemühtes, also jedenfalls ist mir aufgefallen, dass das Wort „fröhlich“ im weihnachtlichen Deutschland eher bei netten Spielfilmen oder in Kirchenliedern vorkommt. Aber das Glück wird spätestens bei den – praktischerweise – im Doppelpack gleich mitgelieferten Neujahrswünschen dann bemüht.
Realiter beginnt die unschlagbare Hetze schon Ende November. Und was danach kommt… ist eher die Erfahrung des Fehlenden (dessen, was uns in diesen Tagen immerzu gewünscht wird). In der Weihnachtszeit – und ganz besonders an den Feiertagen – wird uns all das bewusst, was wir noch nie hatten oder was wir nicht mehr haben. Zeit, Gemeinsamkeit, Harmonie ohne familiäre Hintergrundkonflikte. Das Unausgesprochene bedrängt uns, das während des Jahres erfolgreich Verdrängte. Es ist das Gegenteil von Besinnlich. Besinnlichkeit meint einen aktiven, höchst bewussten und gesteuerten Vorgang. Eine Haltung, um die wir uns bemühen, um aus ihr Kraft zu beziehen. Dagegen ist die nachdenkliche Sentimentalität eine vor allem emotionale Verfasstheit, die uns gegen unseren Willen ereilt, an die Oberfläche drängt, ohne uns zu fragen, uns oft nicht besinnlich, sondern bedrückt und bedrängt zurücklässt.
Immer häufiger höre ich in der Praxis von meinen Patienten den Satz: „Ich bin froh, wenn´s rum ist“. Früher schrieb ich ihn denen zu, die keine oder eine zerstrittene Familie haben. Oder den Atheisten, die mit dem Festrummel zu Recht wenig anzufangen wissen. Heute sehe ich klarer: Der Herausforderung des Gewahrwerdens des Fehlenden müssen wir uns alle stellen. Und es scheint mir, als wüchse die Kluft zwischen medial getriggerter Erwartung und dem Fehlenden immer mehr. Gen Himmel.